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Die Sehnsucht Meines Bruders

Die Sehnsucht Meines Bruders

Titel: Die Sehnsucht Meines Bruders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Waters
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Ray? Du bist in letzter Zeit reichlich schmal geworden. Solltest dich wirklich bemühen, ein wenig mehr zu essen.“
Also war es Lisa doch aufgefallen. „Oh, Lisa, jetzt mach aber mal einen Punkt. Ich bin noch nie schmal gewesen.“
Entschlossen stand ich auf und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Nase. „Tut mir Leid, Liebling, ich habe keine Zeit. Aber ich verspreche, mich zu bessern. Gehen wir heute Abend essen? Dann hole ich alles nach. Überlegt euch inzwischen, wo ihr gerne hingehen würdet, und ruf mich nachher mal an, ja?“
„Bis später“, warf ich in den Raum und war schon zur Tür hinaus.
Vier
    Es war fast eine Erholung für mich, zur Gräfin hinauf gehen zu müssen. Sie lag in einem aufwändigen, üppig mit duftigen Rüschen besetzten Negligé auf dem Bett.
    Auch der Mann, der mir die Tür geöffnet hatte und sich nun neben ihr auf das Bett sinken ließ, trug Rüschen. Ein weißes, Hemd mit weiten gefältelten Ärmeln, das mich an d’Artagnan, den Musketier, erinnerte. Er trug es offen über engen schwarzen Jeans, die sich wie eine zweite Haut um seine Schenkel spannte. Sein dichtes, kastanienfarbenes Haar war so lang, dass es ihm wie ein seidiger Vorhang um die Schultern und fast bis zur Taille hinab reichte. Bei jeder Bewegung spielten rote Reflexe darin.
    Er war nicht unbedingt schön, aber mit seinen scharf geschnittenen Zügen, den schräg stehenden dunkelgrünen Augen unter dichten dunklen Wimpern und mit seinem herrischen Mund so interessant, dass ich nur schwer den Blick wieder von ihm lösen konnte.
    Die Gräfin musterte mich mit einem leicht amüsiertem Lächeln. „Amadé gefällt Ihnen, wie ich sehe.“
    Was wollte sie damit sagen? Ärgerlich schnaubte ich innerlich, doch ich ließ mir nichts anmerken.
    Das weiche Licht, das durch die cremefarbene dünne Seide der geschlossenen Vorhänge drang, schmeichelte ihren aristokratischen, leicht hochmütigen Zügen. Sie sah um keinen Tag älter aus als fünfunddreißig, dabei wusste ich aus ihrem Pass, dass sie bereits fast fünfzig war.
    Sicherlich war das Haar gefärbt, das ihr Gesicht in seidigen Wellen umrahmte. Die Farbe war jedoch sehr geschickt gewählt, denn das zarte Aprikot zauberte einen rosigen Schimmer auf ihre Wangen und stand in interessantem Kontrast zu ihren wunderschönen tiefblauen großen Augen, die mir voller Energie entgegen blickten.
    „Ich bin gekommen, um mich zu erkundigen, wie es Ihnen geht, Madame.“ Ich beugte mich vor, nahm galant ihre Hand, die sie mir entgegen hielt, und küsste die Luft über ihrem Handrücken.
    Sie nickte gnädig. „Ich habe Schmerzen, große Schmerzen. Der Doktor hat mir Bettruhe verordnet.“
    „Das tut mir leid, und das, wo sie sich doch sicher sehr auf die Wandertouren hier in den Bergen gefreut haben.“, sagte ich und konnte mir einen kleinen sarkastischen Unterton nicht verkneifen. Wir wussten beide, sie hätte so oder so den Urlaub mit ihrem Liebhaber im Bett verbracht.
    „Sie sagen es, Monsieur Tyninger.“
„Unsere Versicherung wird natürlich ein großzügiges Schmerzensgeld zahlen, Gräfin, doch darf ich Ihnen von mir persönlich diese beiden Opernkarten für Verona überreichen? Mit der Hoffnung, dass Sie bald wieder soweit hergestellt sein werden, die wunderbare Aida-Inszenierung zu genießen.
Auf ihrem zarten Gesicht erblühte ein gnädiges Lächeln. „Oh, gern, Amadé liebt die Oper, nicht wahr, mein Lieber?“
Der Liebe lächelte ihr gewinnend zu und blickte mir dann wieder in die Augen ... mit einer Intensität, die mich schnell wegsehen ließ.
„Ich begleite Sie zur Tür, Ray.“ Dieser unverschämte Kerl nannte mich doch tatsächlich beim Vornamen! Was man sich als Hotelier so alles gefallen lassen musste. Die Gräfin lächelte nur.
Ich verbeugte mich. „Gräfin.“
Amadé zog die Hand seiner Arbeitgeberin kurz an seine Lippen, erhob sich dann mit geschmeidigen Bewegungen vom Bett und ging mit mir zur Tür.
Sanft legte er seine langen, schlanken Finger auf mein Handgelenk und streichelte mich mit seinem Daumen. Die Bewegung war anmutig und leicht wie die Berührung eines Schmetterlingsflügels. „Ich gehe gleich hinunter und drehe ein paar Runden im Schwimmbad. Hätten Sie nicht Lust zu kommen ?“ Er sah verlangend auf meine Lippen und betonte die Worte so, dass kein Zweifel an ihrer Zweideutigkeit bestehen konnte.
„Tut mir leid, ich habe viel zu tun.“, sagte ich nur und machte, dass ich weg kam.
* * *
    Heute war es Lisa, die mich in meinem Büro überfiel. Ich

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