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Die Sehnsucht Meines Bruders

Die Sehnsucht Meines Bruders

Titel: Die Sehnsucht Meines Bruders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Waters
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spazierten ein wenig in der näheren Umgebung umher und legten uns früh schlafen.
* * *
    Bisher ernährten wir uns von Pemmikan, Fertignahrung und Tütensuppen, die wir in einem kleinen Topf auf unserem Kocher bereiteten. Nun hätten wir ja hier oben, wo wir ein paar Tage bleiben wollten, ein wenig Fleisch schießen können. Doch keiner von uns hätte auch nur eine Maus umbringen können, nicht ohne wirkliche Not. Den Revolver, den ich seit unserem Erlebnis mit den Jägern am Bein unter der Hose mit mir herumschleppte, nahm ich nur für Notfälle mit.
    Also hockte ich mich vors Zelt und rührte wie immer Tomatensuppenpulver in das klare Quellwasser aus dem Bach. Wir hatten ziemlich lange geschlafen und James fühlte sich so gut, dass wir beschlossen, nach dem Mittagessen ins Tal hinunter zu gehen. Gerade rollte er umständlich unsere Isomatten und Schlafsäcke im Zelt zusammen. Das Gewühle, nur unterbrochen von kleinen Seufzern, wollte gar kein Ende nehmen. Er schien mir seltsam schwermütig. Gestern und auch heute Morgen war er ungewohnt still.
    Dabei dachte ich, dass wir nun, wo wir zueinander gefunden hatten, einiges bereden würden. Keine Ahnung ... aber ich erwartete zumindest irgendwas wie eine lockere Unterhaltung, vielleicht über unsere früheren Erlebnisse und die vielen Missverständnisse, die ich, der große Zampano der Verdrängungskünstler, hervorgerufen hatte.
    Klar, er war verletzt und noch schwach von der übermäßigen Anstrengung und dem Fieber, dennoch schien es nicht nur daran zu liegen. Irgend etwas bedrückte ihn, da war ich sicher. Als schleppte er etwas mit sich herum und wusste nicht, ob und wie er es mir sagen sollte. Ich spürte regelrecht, wie er hinter mir im Zelt hinund her überlegte.
    Schließlich schien er einen Entschluss gefasst zu haben, krabbelte aus dem Zelt und setzte sich neben mich. Die langen Beine lässig von sich gestreckt, lehnte er sich zurück, stützte die Ellenbogen auf und mied meinen Blick.
    „Wenn du etwas auf dem Herzen hast, solltest du darüber sprechen,“ fing ich an, um ihm die Sache ein wenig zu erleichtern. „Machst du dir Sorgen, dass diese Jäger uns einholen könnten?“
    „Ja ... aber das ist es nicht. Ich überlege schon lange, ob ich dir etwas erzählen soll, und ich glaube, ich werde dich einfach fragen, ob du es hören willst.“ Er beobachtete den Bach, wie er gurgelnd die Felsen umspülte.
Ich wartete. Es hatte keinen Sinn, ihn jetzt zu drängen.
    Schließlich sprach er weiter: „Wie viel bedeutet dir die Erinnerung an deinen Vater, das Bild, das du von ihm hast?“
    Oh, Scheiße ... was sollte das denn bedeuten? Ich überlegte eine Weile, bevor ich antwortete. Schließlich hatte ich schon seit acht Jahren kaum ein persönliches Wort mit Robert gewechselt.
    „Keine Ahnung. Früher habe ich ihn regelrecht verehrt, aber als er mich weggeschickte ... das hat alles zwischen uns geändert.“
    Ich erzählte ihm von dem Schwur, den ich geleistet hatte, nie wieder jemandem mein Herz zu öffnen. Natürlich war ich damals sehr jung und zornig. Inzwischen sah ich die Sache anders, vor allem seit James mein Gefühlsleben völlig umkrempelte. Ohne Liebe war das Leben nicht viel wert. Aber in Bezug auf Robert? Nein. Dabei war das nicht einmal eine Sache des Vergebens. Er hatte mir sein wahres Wesen offenbart. Er war kalt und hart und ganz und gar nicht so, wie ich ihn mir als Kind in meiner Verehrung zusammengebastelt hatte. Und das gefiel mir nun einmal nicht.
    „Natürlich bin ich mir bewusst, dass er sich verändert haben könnte ...“, sagte ich halbherzig, ich glaubte nicht daran.
    „Wahrscheinlich würde ich dir nichts davon erzählen“, fing er an, „wenn da nicht die Möglichkeit bestünde, dass du es selbst herausfindest. Diese Dinge und vor allem die Tatsache, dass ich sie dir verschwiegen habe, würden dann für immer zwischen uns stehen. Du wirst meine Freunde kennenlernen und du wirst Robert irgendwann wieder begegnen. Ich möchte, dass du es dann weißt. Damit sich Robert nie wieder zwischen uns drängen kann.“
„Zwischen uns drängen ...?“
    „Seine Liebe zu mir hat schon einmal alles zerstört, was zwischen uns hätte entstehen können.“
„Seine Liebe zu dir ...?“ Ich verstand nicht die Bohne.
„Erst die Trauer um deine Mutter, dann das Vergraben in seine Arbeit, sein verbissener Ehrgeiz, mit dem er die Hotelkette aufbaute ... irgendetwas fehlte in seinem Leben und das sollte ich nun alles ausfüllen. Als ich ihn

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