Die Seidenbaronin (German Edition)
schließlich keine unvermögende Frau! Wir erteilen Homberg Anweisung, die Produktion in Blommersforst schnellstmöglich einzustellen. Dann lösen wir unsere Teilhaberschaft auf, und ich werde Sie angemessen entschädigen. Beschränken Sie sich auf Ihren westfälischen Gütern auf die Landwirtschaft und ziehen Sie sich in Ihr geliebtes Mecklenburg zurück. Um der alten Zeiten willen wäre ich bereit, Ihnen Erldyk abzukaufen – ich habe von Ostry schon immer um sein schönes Sommerhaus beneidet.»
Paulina schluckte. Eigentlich lief dieser Vorschlag doch genau auf das hinaus, was sie wollte! Friedlich in Boltenhusen leben und dort auf die Rückkehr von Christian warten.
«Ich werde Homberg in meine Dienste übernehmen», fügte Kronwyler hinzu. «Der Gute war von Ostry und mir immer treu ergeben, und es wäre schade, wenn man seine Fähigkeiten als Buchhalter ungenutzt ließe.»
Die Erwähnung des Kontorangestellten löste in Paulina etwas aus, das sie zunächst selbst nicht fassen konnte.
«Nein!», sagte sie mit fester Stimme.
«Wie bitte?» Kronwyler hob erstaunt die Augenbrauen.
«Nein, Sie werden Homberg nicht in Ihre Dienste übernehmen. Homberg war der Buchhalter meines Schwiegervaters.»
«Aber, meine Liebe, Sie werden diesen Mann, der sich wie kein anderer im Seidenhandel auskennt, doch wohl nicht für die langweiligen Abrechnungen Ihrer Landwirtschaft missbrauchen wollen!»
Paulina sprang auf. Es durfte nicht sein, dass ihnen nach Thomas jetzt auch noch Homberg abhandenkam. Conrad von Ostry konnte nicht Jahre seines Lebens mit dem Aufbau eines erfolgreichen Seidenunternehmens zugebracht haben, damit es nun schrittweise dem Verfall entgegenging.
«Davon kann keine Rede sein!», rief die junge Frau erregt. «Aber vielleicht brauche ich Homberg für etwas anderes.»
Sie ließ den verdutzten Kaufmann sitzen und stürmte ohne ein Wort des Abschieds aus seinem Kontor.
Kapitel 34
Nachdem er jahrelang bei einem Bauern vor den Toren Crefelds gelebt hatte, bewohnte Thomas nun ein ehemaliges Weberhaus in der vierten Stadterweiterung.
Jetzt braucht er nur noch eine Frau, mit der er ein Heim gründen und Kinder bekommen kann, dachte Paulina, als sie an seine Tür klopfte. Umso erstaunter war sie, als ihr ein junges, üppiges Frauenzimmer mit stark geschminktem Gesicht und beachtlichem Busen öffnete.
«Wohnt hier Thomas, der Färber?», fragte Paulina, der zum ersten Mal auffiel, dass sie nicht einmal den Nachnamen ihres einstigen Reisebegleiters kannte.
Die andere musterte sie eifersüchtig. «Was willst du von ihm?»
Im Hintergrund rührte sich etwas, und Thomas erschien in Hosen und Hemdsärmeln.
«Oh, gnädige Frau, was für eine Überraschung! Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen …» Mit einer einladenden Geste forderte er Paulina auf, das Haus zu betreten. Als sie im Flur stand, schob er ohne viel Federlesens das Mädchen hinaus, gab ihm dabei einen Klaps auf den Hintern und schloss die Tür.
Während er Paulina in den Raum führte, der ihm als Wohnstube diente, räumte er im Vorbeigehen eilig ein paar Dinge weg, die auf dem Boden herumlagen.
Paulina sah sich um. Der Raum mit seiner Unordnung und seiner eher geschmacklosen Einrichtung zeugte davon, dass hier ein Mann alleine wohnte. In einem weiteren Zimmer dahinter war durch die offenstehende Tür ein Bett zu sehen. Seine zerwühlten Laken verrieten, was sich vor kurzem zwischen Thomas und dem Mädchen abgespielt hatte.
«Willkommen in meinem bescheidenen Heim», sagte der junge Färber und machte einen Stuhl frei. «Setzen Sie sich, gnädige Frau. Was kann ich für Sie tun?»
Paulina ließ sich nieder. «Ich werde nicht lange drum herum reden. Könnten Sie sich vorstellen, die von der Leyens zu verlassen und zu von Ostry zurückzukehren?»
Thomas hielt inne. «Was sagen Sie da?» Er begann, schallend zu lachen. «Sie sind wie immer sehr amüsant, Frau von Ostry! Nachdem Ihr Schwiegervater mich unbedingt loswerden wollte, möchten Sie mich nun zurückhaben. Hätten Sie sich das nicht früher überlegen können?»
«Mein Schwiegervater wollte Sie loswerden? Warum?»
«Ich wollte etwas haben, das er nicht hergeben mochte.»
«Sie haben gestohlen?», rief Paulina entsetzt und musste daran denken, dass Conrad von Ostry hin und wieder von Seidendiebstahl berichtet hatte.
«So würde ich das nicht nennen», antwortete Thomas. «Schließlich ist es gar nicht erst dazu gekommen.»
«Sie sprechen in Rätseln!»
«Dabei wird es auch
Weitere Kostenlose Bücher