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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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sich vor zwei Jahren sogar mit diesem schrecklichen General La Marlière verstanden.»
    «Ich konnte besser Karten spielen als er», berichtete Pierre stolz. «Das hat ihn mehr beeindruckt als die Selbstherrlichkeit der Crefelder Fabrikanten.»
    «Dann ist es ja geradezu tragisch, dass Sie die Stadt bald verlassen werden», meinte Paulina mit einem Hauch von Spott. «Was werden die armen Crefelder denn ohne Sie machen, wenn Sie wieder in Berlin sind?»
    «Tja …» Pierre warf einen kurzen, verschmitzten Blick auf Toscani, der anfing zu grinsen. «Das ist es, was ich Ihnen mitteilen wollte, meine Liebe. Ich … ähm … ich werde vorerst nicht nach Berlin zurückkehren.»
    Gleich wird er dir erzählen, dass er sich zusammen mit Toscani einer Wanderbühne anschließt oder eine Sprachschule eröffnet, dachte Paulina amüsiert.
    «Ich werde Gemeindebeamter», verkündete Pierre mit salbungsvoller Miene. «Die Franzosen haben mich in den Magistrat von Crefeld berufen.»

    Die Kunde von Pierres Ernennung sprach sich in der Stadt herum wie ein Lauffeuer. Spitze Zungen behaupteten schon bald, dass die Franzosen absichtlich diese leicht lenkbaren, für Schmeicheleien empfänglichen Männer ausgesucht hatten – außer Pierre waren noch Toscani, ein ehemaliger Friseur und ein Postbeamter berufen worden –, und die neuen Leute mussten sich einigen Hohn gefallen lassen.
    «Französischkenntnisse allein reichen nicht aus, um eine Stadt zu verwalten», spottete man und bemitleidete Bürgermeister Althoff um seine dilettantischen Gehilfen.
    Während Toscani sich über das abfällige Gerede furchtbar ärgerte, begegnete Pierre dem Spott mit der ihm eigenen Gelassenheit. Da ihm im Gegensatz zu dem Venezianer jeglicher Ehrgeiz fehlte, überhörte er die missgünstigen Stimmen.
    Anfang des neuen Jahres, kurz nach Pierres Amtsantritt, traf Homberg in Crefeld ein. Nachdem er sofort zu Kronwyler gegangen war, um mit ihm die Einstellung der Produktion in Blommersforst zu besprechen, kam er aufgeregt ins Palais Ostry zurück.
    «Gnädige Frau! Ich habe Ihnen Folgendes mitzuteilen: Erstens hat Herr Kronwyler mir eine Stellung in seinem neuen Unternehmen angeboten. Zweitens müssen Sie versuchen, die Färberei zurückzuerhalten. Drittens sollten wir sofort die französischen Verbindungen Ihres Schwiegervaters auffrischen. Und viertens habe ich das Angebot von Herrn Kronwyler abgelehnt.»
    Paulina war völlig perplex. «Sie haben wirklich keine Zeit verloren, mein lieber Homberg.»
    Der Kontorangestellte hob den Zeigefinger. «Ach ja, und fünftens brauchen wir einen Fabrikmeister.»
    Paulina seufzte resigniert. «Ich hätte gerne Thomas Cornelius zurückgeholt, aber er wollte lieber seine sichere Stellung bei den von der Leyens behalten. Wissen Sie eigentlich, was er mit meinem Schwiegervater für einen Disput hatte?»
    Homberg zierte sich mit der Antwort. «Man soll den Willen eines Menschen auch über dessen Tod hinaus beherzigen – und anscheinend wollte Herr von Ostry nicht, dass jedermann von seinem Streit mit Cornelius erfährt.»
    «Bin ich jedermann?», fragte Paulina entrüstet.
    «‹Mann› schon gar nicht», sagte Homberg geheimnisvoll. «Hier geht es eher um ‹Frau› …»
    Paulina blickte ihn fragend an, und er nickte ihr aufmunternd zu. Was meinte Homberg mit seinen seltsamen Worten?
    Dann fiel es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen. Das merkwürdige Verhalten der Damen von Ostry beim Mittagsmahl! Es hatte gar nichts mit Pierres unhöflichem Benehmen zu tun gehabt, sondern mit der Erwähnung von Thomas! Der junge Mann hatte etwas haben wollen, was Conrad von Ostry gehörte. Frau von Ostry konnte es kaum gewesen sein, und Sybilla war ganz sicher nicht der Typ Frau, den Thomas bevorzugte.
    Aber Catherine! Der Färber musste wohl an der herben Schönheit der Kaufmannstochter Gefallen gefunden haben.
    «Fast hätte ich es vergessen, gnädige Frau», unterbrach Homberg Paulina in ihren Gedanken. Er kramte in einem kleinen Köfferchen, das er bei sich trug. «Ich habe zwei Briefe für Sie aus Boltenhusen, die kurz vor meiner Abreise eintrafen.»
    Als der Buchhalter ihr die beiden Schreiben reichte, machte Paulinas Herz einen Satz. Sie erkannte das Siegel des Grafen Bahro.
    «Lassen Sie uns später weitersprechen, Homberg», bat sie und strich zärtlich über das Papier. Plötzlich war ihr alles andere unwichtig. Der erste Brief war von Christian. Er kam aus einem Feldlager in Holland.
    «Meine Liebste», schrieb er.

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