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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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zwischen ihnen lichterloh brennen würde, wenn es erst einmal entfacht wäre. Schließlich hatte ihre Liebe damals unter diesem Vorzeichen begonnen. Die Fackeln der Liebe! Es brauchte nur eine Geste, eine Bewegung, eine Berührung, um sie erneut zu entzünden.
    Vom Fluss her waren Stimmen zu hören. Das Fährschiff hatte am Ufer angelegt. Die Lichter von Laternen erleuchteten die schnell hereinbrechende Dunkelheit. Ein Pferd wieherte.
    «Das ist der König, der aus Tilsit kommt», sagte Christian mit erstickter Stimme.
    Paulina drehte sich zu ihm um. Es war wie vor vielen Jahren, an einem stürmischen Abend nahe der Ostsee. Damals hatte es in Strömen geregnet, und es war kalt gewesen, aber er hatte sie genauso angesehen wie jetzt, mit jener Melancholie, die bisweilen seinen Blick verschleierte. Danach hatte er seine Lippen auf ihre gesenkt …
    «Lassen Sie uns fahren, Madame!», sagte Christian. «Man vermisst Sie gewiss schon.»
    Er führte sie den Weg zur Kutsche hinauf. Paulina war zutiefst verwirrt. Hatte sie sich so sehr in seinen Empfindungen getäuscht? Hatte er nicht auch den fast unwiderstehlichen Drang verspürt, sie endlich in die Arme zu schließen?
    Vom Wagen her kam ihnen der Kutscher entgegen.
    «Ich habe Sie schon gesucht, Madame!», rief er besorgt. «Wir sollten dringend zurückfahren … Oh, der Hauptmann ist bei Ihnen …»
    Schweigend gingen Christian und Paulina das letzte Stück bis zum Wagen. Als sie ankamen, wandte sie sich erwartungsvoll zu ihm um.
    «Ich werde Sie auf dem Pferd nach Piktupönen begleiten, Madame», sagte Christian.
    Auf der Straße fuhr der Wagen des Königs vorbei, eskortiert von seinem Gardekorps. Das Knallen von Peitschen hallte durch die Nacht. Friedrich Wilhelm hatte es eilig, zu seiner Luise zu kommen. Der Kutscher öffnete den Verschlag. Christian nahm Paulinas Hand und half ihr, in den Wagen zu steigen.
    «Tun Sie mir den Gefallen und bleiben Sie von nun an in Piktupönen, Madame», bat Christian, und seine Stimme bebte. «Sie haben mir heute einen gehörigen Schrecken eingejagt. Man erlebt im Krieg so schreckliche Dinge, die einen immer nur das Schlimmste vermuten lassen. Ich hätte nicht gedacht, dass jemand auf den einfachen, wunderbaren Gedanken kommen könnte, sich einen Sonnenuntergang am Fluss anzuschauen.»
    Paulina hörte ihm atemlos zu.
    «Als ich Ihre Kutsche so verlassen am Wegesrand stehen sah», fuhr er fort, «glaubte ich, mein Herz bliebe stehen. Es … es war der schrecklichste Augenblick meines Lebens.»

    «Sie hatten recht, liebe Freundin», sagte Königin Luise mit einem Strahlen im Gesicht. «Er ist kein solches Ungeheuer, wie ich annahm. Warum meinen nur alle, dass er abgrundtief hässlich sei? Dabei ist er durchaus ansehnlich. Sein Kopf erinnert an den eines römischen Cäsaren, und er hat kluge, wissende Augen. Sie scheinen ihr Gegenüber zu durchdringen, aber ich glaube, dass ich ihnen ordentlich standgehalten habe.»
    Paulina und die Königin saßen in einem Zimmer des Pfarrhauses, in das Paulina sofort nach Luises Eintreffen aus Tilsit geeilt war. Der große Tag neigte sich dem Ende zu, und die Königin war voller Zuversicht von der Begegnung mit dem französischen Kaiser zurückgekehrt.
    «Napoleon war ausgesprochen höflich», erzählte sie, «und behandelte mich mit großer Hochachtung. Ich habe es gemacht, wie Sie mir rieten, Madame: Ich gab mich so, wie ich bin. Nun, es scheint dem Kaiser gefallen zu haben. Vielleicht hat er ein heulendes, bettelndes Wesen erwartet, das sich vor ihm auf den Boden wirft, und war erstaunt, das Gegenteil anzutreffen. Jedenfalls habe ich nicht die kleinste Spur von Geringschätzung an ihm bemerkt.»
    Paulina schmunzelte. Man mochte diesem Despoten vieles nachsagen, aber eines musste man ihm zugestehen: Er wusste die Schönheit und die Ausstrahlung einer Frau zu schätzen.
    «Wir haben sehr freimütig miteinander geredet», fuhr die Königin fort. «Es machte nicht den Anschein, als sei es ihm zuwider, dass eine Frau sich mit Dingen der Politik beschäftigt. Ich bemühte mich, nicht zu fordernd zu wirken, unsere Position aber deutlich zum Ausdruck zu bringen. Ohne allzu sehr zu klagen, bat ich den Kaiser um maßvolles Vorgehen bei den Friedensverhandlungen. Beim Abschied sagte er in liebenswürdigem Tonfall: ‹Wir werden sehen. Wir werden sehen.› Finden Sie nicht auch, dass dies berechtigten Anlass zur Hoffnung gibt?»
    «Sie haben Ihrem Land einen großen Dienst erwiesen, Majestät»,

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