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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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russischer Soldaten herum, und auch wenn sie unsere Verbündeten sind, verhalten sie sich leider nicht immer so vorbildlich wie ihre preußischen Mitstreiter. Mussten Sie Piktupönen unbedingt verlassen?»
    «Haben Sie etwa nach mir gesucht?», fragte Paulina kokett.
    Seine Augen flatterten. «Ich kam gerade aus Tilsit und war auf dem Rückweg nach Piktupönen. Da sah ich Ihre Kutsche am Wegrand stehen. Ist Ihr Kutscher nicht bei Ihnen?»
    «Vielleicht schwatzt er mit dem Fährmann», sagte Paulina leichthin.
    Mit einem Satz war Christian bei ihr und zog sie zu sich herauf.
    «Das ist kein Scherz, Madame!» Seine bernsteinfarbenen Augen blitzten zornig. «Diese Russen sind halbe Tiere. Ich habe heute erleben müssen, wie sie mit der Tilsiter Bevölkerung umspringen, nachdem man einen Teil von ihnen in der Stadt einquartiert hat. Die Franzosen plündern wenigstens nur, aber die Russen scheuen nicht davor zurück, sich an den Frauen zu vergreifen, die ihnen über den Weg laufen.»
    «Ich … ich kann mir nicht vorstellen, dass Napoleon dies zulässt!», erwiderte Paulina erschüttert.
    «Vergessen Sie nicht, dass wir uns immer noch im Krieg befinden! Möchten Sie in die Hände von Männern fallen, die seit Monaten nur Schlachtfelder, Verwundete und Tote gesehen haben und völlig ausgehungert nach einem Weib sind?»
    Paulina senkte beschämt den Kopf. Sie sah, wie Christians schmale, lange Finger ihren Arm umschlossen. Bildete sie es sich nur ein, oder zitterte seine Hand ein wenig?
    «Warum sind Sie nicht in Piktupönen geblieben?», fragte er noch einmal. «Wie ich hörte, war die Königin so erfreut über Ihre Anwesenheit, dass sie Sie ständig sehen möchte.»
    Paulina blickte zu ihm auf. «In Piktupönen geht es heute zu wie auf dem Jahrmarkt. Das ganze Dorf ist voller Leute. Erst war der Zar bis nachmittags im Schulhaus und machte der Königin seine Aufwartung, dann kam der Abgesandte Napoleons, um die Einladung des Kaisers zu überbringen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Zum Schluss tauchte noch von Hardenberg auf und nahm Luise erneut ins Gebet.»
    «War das für Sie ein Grund, das Dorf zu verlassen?»
    «Ich war es ehrlich gestanden leid, dass man die Königin wie ein kleines Kind behandelt! Nachdem die Herren Minister und Generäle mit ihrer Diplomatie versagt haben, verlangen sie nun, dass Ihre Majestät rettet, was zu retten ist, wollen ihr aber gleichzeitig vorschreiben, wie sie das am besten zu tun hat.»
    Christians Gesicht entspannte sich. Ein Lächeln spielte um seinen Mund. «Sie haben eine eigenwillige Art, die Dinge zusammenzufassen.»
    Sie sahen sich an, und plötzlich stellte sich ein Hauch von Vertrautheit zwischen ihnen ein. Paulina hätte sich am liebsten neben Christian ins Gras gesetzt und ein wenig mit ihm geplaudert. Warum war es nur ihr Schicksal, dass sie sich immer in Momenten begegneten, in denen alles andere um sie herum so bedeutend war, dass sie selbst in den Hintergrund rücken mussten?
    Christian ließ ihren Arm los. «Kommen Sie, Madame, ich bringe Sie zu Ihrer Kutsche. Erst wenn Sie wieder in Piktupönen sind, werde ich beruhigt sein.»
    «Warten Sie!», rief Paulina und deutete auf den Fluss. «Schauen Sie nur! Die Sonne geht gleich unter! Das dürfen wir uns nicht entgehen lassen!»
    Sie lief zum Ufer der Memel hinunter. Ohne sich daran zu stören, dass der Saum ihres Kleides nass wurde, stellte sie sich an den Rand des Gewässers. Der Horizont war dabei, sich orange zu verfärben, die Sonne versank hinter der Silhouette einer Waldkette.
    Paulina spürte, dass Christian hinter sie getreten war. Seine Gegenwart löste ein erwartungsvolles Prickeln in ihr aus. Sie betete, dass er sie umarmen und an sich drücken möge.
    Blutrot tauchte die Sonne am Horizont unter und verschwand schließlich ganz.
    «Ist das nicht wunderschön?», flüsterte Paulina. «Wann bekommt man schon einmal einen solchen Sonnenuntergang zu sehen?»
    Da Christian nicht antwortete, nahm sie an, dass er genauso ergriffen war wie sie selbst. Sie fühlte, wie sich seine Hand auf ihre Schulter legte, und schloss die Augen. Ein Schauer lief durch ihren Körper, und sie musste sich beherrschen, um sich nicht umzudrehen und ihm um den Hals zu fallen.
    Wenn er sie doch endlich küssen würde! Spürte er denn nicht, was zwischen ihnen war, was niemals aufgehört hatte, zwischen ihnen zu sein? Ging es ihm nicht genauso, auch wenn er sich hinter seiner Starrheit versteckte?
    Sie wusste, dass das Feuer

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