Die Seidenbaronin (German Edition)
versicherte Paulina, die sich freute, die alte Freundin nach den Tagen der Anspannung so gelöst und fast vergnügt zu sehen. «Ich bin überzeugt, dass Ihr Einsatz für Preußen sich gelohnt hat.»
«Nach dem heutigen Tage glaube ich es auch», sagte die Königin mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung. «Napoleon lud mich für den Abend zu einem Diner ein. Ich fuhr im achtspännigen Staatswagen vor. Das Essen fand in heiterer Stimmung statt, mit dem Kaiser und dem Zaren an meiner Seite und meinem Gatten gegenüber. Napoleon fand selbst für die Gräfin Voß, die er auf den Tod nicht leiden kann, nette Worte. Zum Abschied nahm er eine Rose aus einer Vase und überreichte sie mir. Er fragte mich, wie Preußen so unvorsichtig hatte sein können, ihn anzugreifen, worauf mir etwas einfiel, das der gute von Hardenberg einmal gesagt hat. Ich antwortete dem Kaiser, dass der Ruhm Friedrichs des Großen uns über unsere Mittel getäuscht habe. Ohne mich selbst loben zu wollen, hatte ich den Eindruck, dass dieser Ausspruch dem Kaiser gefiel.»
Es klopfte, und die Gräfin Tauentzien betrat das Zimmer.
«Der König erwartet Sie, Majestät», sagte sie mit einem verächtlichen Seitenblick auf Paulina.
Luise erhob sich. «Wir plaudern morgen weiter, liebe Freundin. Mein Gatte verlangt nach mir. Ich hoffe, dass er ein wenig besserer Stimmung ist und mir nicht mehr zürnt, weil ich Napoleons Rose angenommen habe.»
Er sollte Gott lieber dankbar sein, dass dieser ihm eine solche Frau zur Gemahlin gegeben hat, dachte Paulina. Weiß der Mann eigentlich, was für einen Liebesbeweis sie ihm erbracht hat?
Sie sah der Königin hinterher, wie sie erhobenen Hauptes und beschwingten Schrittes das Zimmer verließ. In Ostpreußen war Luise erwachsen geworden.
Als Paulina aus dem Schulhaus trat, stellte sich ihr der Staatsminister von Hardenberg in den Weg. «Guten Abend, Frau Gräfin. Darf ich Sie zu Ihrer Unterkunft begleiten?»
«Mit Vergnügen», antwortete sie, «wenngleich ich glaube, dass Sie dies nicht tun, ohne eine bestimmte Absicht damit zu verbinden.»
«Ich tue selten etwas ohne Absicht», bestätigte von Hardenberg.
Ein paar Sekunden lang gingen sie schweigend nebeneinander her. Es war ein ähnlich schöner Abend wie am Tag zuvor. Tausende Sterne funkelten am Firmament, das hier weiter zu sein schien als anderswo. Trotz der späten Stunde war es noch recht mild. Die Bäume hinterm Schulhaus rauschten im Wind, in der Ferne schrie ein Käuzchen.
Von Hardenberg schien die Schönheit dieses Abends nicht zu bemerken. «Darf ich Ihnen zunächst zu Ihrer ausgezeichneten Beratung gratulieren!», sagte er nüchtern. «Sie waren der Königin und mir eine unschätzbare Hilfe.»
«Es besteht also Grund zur Hoffnung?»
«Nun, Napoleon scheint bereit, Zugeständnisse zu machen. Und das ist einzig und allein das Verdienst Ihrer Majestät der Königin. Ihre Begegnung mit dem Kaiser verlief weitaus besser, als wir zu hoffen gewagt hatten.»
«Und Sie, Herr von Hardenberg?», fragte Paulina. «Was wird nun aus Ihnen?»
Der Minister stieß ein bitteres Lachen aus. «Meine Abfahrt nach Riga steht kurz bevor. Wie Sie sicher wissen, ist meine Abdankung Bedingung für den Friedensvertrag. Die Hochachtung Napoleons vor der Königin ging leider nicht so weit, als dass er darauf verzichtet hätte, ihren treuesten Minister in die Verbannung zu schicken.»
«Er fürchtet Ihren Einfluss.»
«Daran tut er gut! Ich habe nämlich nicht vor, mich aufs Altenteil zurückzuziehen.»
«Das würde Ihnen auch nicht stehen, Monsieur!»
Von Hardenberg lächelte geschmeichelt. «Es wartet harte Arbeit auf uns! Preußen liegt am Boden wie nie zuvor. Um wieder aufstehen zu können, werden einige Veränderungen nötig sein.»
«Ich vermute, Sie haben diesbezüglich schon genaue Dispositionen getroffen.»
«Selbstverständlich. Sie sind auch Teil meiner Pläne, Madame.»
«Ich?», rief Paulina erstaunt aus.
«Sie leben in Paris und gehören zum Hofstaat Napoleons. Ihr Gatte ist Senator von Frankreich. Wer könnte sich besser eignen als Sie, um mir zu vermitteln, was in der Umgebung des Kaisers vor sich geht?»
Paulina blieb stehen. «Wollen Sie damit andeuten, dass ich für Sie den Spitzel spielen soll?», fragte sie halb belustigt, halb verärgert.
«So drastisch würde ich das nicht ausdrücken, meine Liebe …»
«Wie denn sonst?»
«Nun, ich stelle es mir in etwa so vor, dass Sie mir in regelmäßigen Abständen Ihre … hm … Eindrücke
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