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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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schickte die Gräfin Tauentzien sich gerade an, zum dritten Mal in Richtung Bauernhaus aufzubrechen.
    «Na endlich!», sagte sie in einem Ton, der ihren ganzen Unmut darüber ausdrückte, dieser plötzlich aufgetauchten Jugendfreundin der Königin hinterherlaufen zu müssen. «Wo waren Sie denn die ganze Zeit?»
    «Ist etwas passiert?», fragte Paulina in höchster Besorgnis.
    «Allerdings!», antwortete die Gräfin Tauentzien spitz. «Und Sie können gleich mitkommen, Herr Hauptmann. Sie werden nämlich auch erwartet.»
    Die Königin saß in dem Zimmer, das ihr als Empfangsraum diente, und war in Tränen aufgelöst. Neben ihr stand mit finsterer, regungsloser Miene die Gräfin Voß und hatte die Hand auf ihre Schulter gelegt. Luise sah den Ankommenden mit verschleiertem Blick entgegen.
    «Er ist von seinen Bedingungen für den Friedensvertrag keinen Deut abgewichen», sagte sie mit erstickter Stimme. «Dieses Scheusal hat mich nach Tilsit zitiert und in dem Glauben gelassen, dass er uns entgegenkommen würde.»
    «Aber der Friedensvertrag ist doch noch gar nicht unterzeichnet!», warf Paulina ein.
    «Ich habe vorhin eine Nachricht meines Gatten aus Tilsit erhalten», erklärte die Königin, während ihr erneut Tränen über die Wangen liefen. «Der unterzeichnete Friedensvertrag wurde heute dem Grafen Golz übergeben. Die Bedingungen seien erschreckend, schreibt Friedrich Wilhelm, schlimmer noch als gedacht. Leider könne er es mir nicht ersparen, zum festgesetzten Diner nach Tilsit zu kommen.»
    Paulina konnte es nicht fassen. «Was für eine Demütigung! Sie müssen noch einmal mit Napoleon reden!»
    «Noch einmal mit ihm reden?», rief Luise aus. «Ich würde alles dafür geben, wenn ich diesen Unmenschen nie mehr wiedersehen müsste! Er hat mich getäuscht, verraten und zutiefst erniedrigt. Ich habe den Bittgang nach Tilsit völlig umsonst gemacht. Nichts, gar nichts habe ich erreicht! Preußen verliert all seine Provinzen westlich der Elbe und seine Erwerbungen in Polen, muss den Rheinbund anerkennen und der Handelssperre gegen England beitreten. Unsere Armee wird auf eine lächerliche Anzahl von Soldaten beschränkt. Zu alledem müssen wir Entschädigungszahlungen leisten, die unser Land – oder das, was davon bleibt – in den Ruin treiben werden!»
    Luise schluchzte nun hemmungslos. «Solange die Reparationsforderungen nicht bezahlt sind, bleibt das Land besetzt. Das bedeutet, dass wir nicht einmal nach Berlin zurückkehren können!»
    Die Gräfin Voß nahm nach einem tröstenden Tätscheln die Hand von der Schulter der Königin. «Auch wenn Ihnen nie etwas schwerer gefallen ist, Majestät, muss ich Sie dennoch ersuchen, sich allmählich zu fassen. Die Fähre nach Tilsit wartet auf uns.»
    Luise nickte. Sie zog ein seidenes Taschentuch hervor und trocknete tapfer ihre Tränen. Dann stand sie auf. «Ich werde kommen, Frau Gräfin. Das bin ich meinem armen Gatten und dem Land schuldig.»
    Ihr Blick fiel auf Christian, den sie zum ersten Mal zu bemerken schien. «Hauptmann von Bahro! Nach Ihnen hatte ich bereits schicken lassen.» Sie machte eine winkende Handbewegung in Richtung des angrenzenden Zimmers, worauf die kleine Frau erschien, die mit der Kutsche aus Memel gekommen war und die genauso farblos wirkte wie das Pensionskleid, das sie trug.
    «Fast hätte ich es angesichts der furchtbaren Ereignisse vergessen», sagte Luise. «Ich wollte Ihnen zum Dank für Ihre Ergebenheit eine kleine Überraschung bereiten, Hauptmann von Bahro. Wenigstens Sie werden heute Grund zur Freude haben.» Mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen verließ die Königin, gefolgt von der Oberhofmeisterin, den Raum.
    Christian stand wie zur Salzsäule erstarrt, während Paulinas Blick verständnislos zwischen ihm und der kleinen Frau aus Memel hin und her wanderte.
    «Hat Sie der Schlag getroffen, Herr Hauptmann?», fragte die Gräfin Tauentzien spöttisch. Und mit einem schadenfrohen Lächeln fuhr sie fort: «Wo bleiben Ihre Manieren? Wollen Sie der Gräfin Ostry nicht sagen, wer diese junge Dame ist?»
    Christian erwachte aus seiner Starre. Sein Gesicht hatte einen gequälten Zug angenommen, und als er den Mund öffnete, hatte es den Eindruck, als müsse er all seine Kraft aufbieten, um die folgenden Worte auszusprechen.
    «Darf ich vorstellen», presste er mit tonloser Stimme hervor, ohne Paulina dabei anzusehen. «Henriette von Bahro, Hofdame Ihrer Majestät der Königin und meine Gattin.»

Kapitel 49
    Paris, Dezember

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