Die Seidenbaronin (German Edition)
« Sie wissen es nicht? Das kann ja wohl nicht wahr sein!»
Ein unangenehmes Schweigen folgte.
«Wenn Sie schon nicht an mich denken», sagte Pierre schließlich mit einer unheilvollen Ruhe, «so bitte ich Sie, wenigstens unsere Kinder nicht zu vergessen. Frédéric und Anna werden nicht ewig in Italien bleiben. Und Camille … wer soll ihre Ausstattung bezahlen? Kein anständiger Mann wird um die Hand einer verarmten Fabrikantentochter anhalten, deren Eltern die Gunst des Kaisers verloren haben. Was wird aus meiner Mutter, Catherine, Thomas und Sybilla? Sollen sie alle unter der durch Sie verschuldeten Ungnade und Armut leiden?»
Pierre verstand es wirklich, die richtigen Worte zu wählen. Paulina erhob sich und ging zum Fenster. Einer der merkwürdigen Zufälle des Lebens wollte es, dass ausgerechnet in diesem Moment Camille an der Seite von Sophie aus der Tür des Palais auf die Straße hinaustrat.
«Wissen Sie eigentlich, dass Terbrüggen tot ist?», fragte Pierre.
Paulina wirbelte herum. «Wie bitte? Terbrüggen ist tot?»
«Ja. Marceau erzählte es heute Morgen. Er bekam gestern einen Brief von Homberg. Der arme Terbrüggen soll unter sehr merkwürdigen Umständen gestorben sein … man spricht sogar von Mord … Ich mochte ihn zwar nie besonders, aber einen solch schrecklichen Tod hätte ich ihm nicht gewünscht.»
Paulina starrte fassungslos vor sich hin. Viele Male hatte sie sich den Kopf zermartert, wie sie sich an Terbrüggen rächen könnte – an diesem Mann, der sie so hintergangen hatte. Nun war er tot.
Paulina fühlte sich plötzlich wie in einem tragischen Theaterstück, dessen Charaktere ihre Rollen nicht mehr beherrschten. Oder war es der Theaterdirektor, der das Stück nach seinem Belieben immer wieder umschrieb?
Vielleicht war Terbrüggen das Zeichen, auf das sie seit Wochen gewartet hatte. Paulina hob entschlossen den Kopf.
«Also gut», sagte sie. «Ich werde den Kaiser morgen um eine Audienz bitten.»
«Steigen Sie ein, Madame!»
Therese blickte Paulina aus dem Dunkel ihrer Kutsche entgegen. Sie trug ein schwarzes Kleid und hatte einen Schleier vors Gesicht gezogen. Paulina erklomm die Trittstufen und zwängte sich in den Wagen. Die Kutsche setzte sich in Bewegung.
«Wozu diese Geheimniskrämerei?», fragte sie, um einen lockeren Ton bemüht, und schlug die Kapuze ihres Mantels zurück. «Nicht dass ich etwas gegen eine Spazierfahrt durch den Tuileriengarten einzuwenden hätte, aber das Wetter heute ist ein wenig ungemütlich.»
Therese schien keinen Sinn für Späße zu haben.
«Das Wetter kommt mir gerade recht, denn bei diesem Regen ist wenigstens niemand unterwegs. Ich wollte Sie möglichst ungestört sprechen, Madame!»
Therese lüftete ihren Schleier. Ihre madonnenhafte Schönheit hatte sich mit den Jahren noch veredelt. Wenn man sie genauer betrachtete, sah man einen kaum merklichen, verhärmten Zug um ihren Mund, aus dem der ganze Gram darüber sprach, dass ausgerechnet sie, die schönste und klügste der drei Mecklenburger Schwestern, es nur zur Gattin eines Postfürsten gebracht hatte.
«Fühlen Sie sich etwa verfolgt?», fragte Paulina.
«So würde ich das nicht nennen! Sagen wir es anders: Ich muss in Zukunft etwas zurückhaltender sein.»
«Sie sprechen in Rätseln, Madame!»
«Es ist etwas sehr Unangenehmes geschehen, liebe Freundin», verriet Therese. «Ich weiß noch nicht genau, welche Folgen das haben wird, aber ich fürchte, dass ich mit leeren Händen nach Regensburg zurückfahren muss.»
«Hatte Ihre Audienz beim Kaiser keinen Erfolg?», fragte Paulina betroffen.
Therese seufzte tief. «Es lief zunächst recht gut. Napoleon gab mir das Gefühl, ein offenes Ohr für mein Anliegen zu haben und zu Zugeständnissen bereit zu sein. Dann jedoch änderte sich seine Haltung schlagartig. Er machte merkwürdige Andeutungen, wie enttäuscht er über mein doppeltes Spiel sei. Es könne nicht angehen, dass er dem Hause Thurn und Taxis freundlich gesinnt sei, während ich hinter seinem Rücken gegen ihn intrigieren würde.»
«Hat der Kaiser Ihnen einen konkreten Vorwurf gemacht?»
«Viel schlimmer noch!» Thereses schöne braune Augen bekamen einen glänzenden Schimmer. «Dem französischen Geheimdienst scheint meine gesamte Korrespondenz mit Luise in die Hände gefallen zu sein!» Die Fürstin zog ein Taschentuch hervor und trocknete eine kleine Träne, die sich von ihrem Lid gelöst hatte.
«Ich bin in großer Sorge, dass meine Schwester annehmen
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