Die Seidenbaronin (German Edition)
könnte, ich würde mich mit Napoleon gegen Preußen verbünden. Luise und ich hatten in der letzten Zeit kein sehr enges Verhältnis zueinander. Wie soll ich ihr nun erklären, dass ich ihrem größten Feind nur schmeichele, um einen Vorteil für sie zu erzielen?»
Paulina beugte sich vor und strich über Thereses Hand. Anders als bei Luise hatte sie mit der großen Schwester nicht zur alten Vertrautheit aus Darmstädter Tagen zurückgefunden. Therese war ihr als unnahbar und schwer zu durchschauen erschienen, und sie hatte mit Wehmut an die herzliche und offene Art von Luise gedacht. Die plötzliche Schwäche der stolzen Fürstin rührte sie.
«Wie kann ich Ihnen helfen, Madame?», fragte Paulina mit ehrlicher Anteilnahme.
Sie bemerkte bei Therese ein erleichtertes Aufatmen.
«Sie können mir in der Tat helfen, meine Liebe. Allerdings müssen Sie sich bewusst sein, dass die Sache auch für Sie nicht ganz ungefährlich ist. Ich empfinde es als meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen.»
«Das weiß ich zu schätzen, Madame. Ich bin in diesen Dingen jedoch nicht gänzlich unerfahren. Darf ich Ihnen anvertrauen, dass ich seit Jahren in Diensten des ehemaligen preußischen Staatsministers von Hardenberg stehe.»
Sie schaffte es, Therese mit der Enthüllung dieses Geheimnisses in Erstaunen zu versetzen. Als die Fürstin sich wieder gefasst hatte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
«Das trifft sich ja ausgezeichnet! Ich hoffe nämlich, für Luise zu erwirken, dass von Hardenberg aus der Verbannung zurückkehren darf.» Ihre Miene verfinsterte sich gleich wieder. «Nun wird sie mich jedoch verdächtigen, ihre Interessen zu hintertreiben.»
«Man müsste Luise eine Nachricht zukommen lassen, die nicht vom Geheimdienst konfisziert werden kann», überlegte Paulina.
«Da kommen Sie ins Spiel, Madame!», rief Therese aufgeregt. «Sie machen eine Ihrer Geschäftsreisen, die Sie unter anderem auch nach Berlin führen wird. Meine Schwester feiert bald ihren Geburtstag – was liegt näher, als dass sie ihre alte Darmstädter Freundin, die mittlerweile gottlob adelig und damit hoffähig ist, zum großen Fest ins königliche Schloss einlädt?»
«Und die alte Freundin wird der Königin bei dieser Gelegenheit einen Brief ihrer Schwester überreichen.»
Therese sah Paulina erwartungsvoll an. «Würden Sie das für mich tun?»
In Paulinas Kopf begann es zu rotieren. Sie sollte nach Berlin fahren! Vielleicht war Christian mittlerweile aus der Toskana zurück, und sie könnte ihn dort wiedersehen! Würde es nicht einem Husarenstück gleichkommen, wenn ausgerechnet sie mit dazu beitrug, dass von Hardenberg in den preußischen Staatsdienst zurückkehrte? Beim Gedanken an den Kaiser kamen ihr jedoch Zweifel. Wäre sie nicht gut beraten, endlich um die längst fällige Audienz bei Napoleon zu bitten, anstatt eine abenteuerliche Reise nach Berlin zu unternehmen? Setzte sie nicht alles, was sie erreicht hatte, aufs Spiel, wenn sie Paris gerade jetzt verließ?
Doch im Grunde war ihr Entschluss schon gefasst. Wer konnte ihr verbieten, ihren Geschäften nachzugehen? Wahrscheinlich würde man in diesen aufregenden Tagen rund um die Hochzeitsvorbereitungen nicht einmal bemerken, dass sie fort war. Sie würde rechtzeitig zur Vermählung Napoleons mit der österreichischen Kaisertochter nach Paris zurückkehren.
«Einverstanden», sagte sie zu Therese. «Ich werde nach Berlin fahren.»
Kapitel 53
Blommersforst, Februar 1810
Ein gebrochenes Kutschrad hatte Paulinas Reise aufgehalten, sodass sie Blommersforst erst am späten Abend erreichte. Sie hatte ihren Diener zu Pferd vorausgeschickt, um ihre Ankunft anzukündigen, doch als sie endlich im Schlosshof eintraf, war in dem alten Backsteinbau alles dunkel.
Paulina, die sich nach einer heißen Suppe und einem weichen Bett sehnte, machte sich kurz entschlossen auf den Weg zum Haus des Verwalters, um in Erfahrung zu bringen, warum man auf ihr Kommen nicht vorbereitet war. Gefolgt von ihrer Zofe schritt sie über den dunklen Hof. Zur linken Hand waren zwischen den Bäumen die Umrisse der verlassenen Weberhäuser zu erkennen.
Erleichtert sah Paulina, dass beim Verwalter Licht brannte. Forschen Schrittes ging sie auf das Haus zu. Sie würde ihren Leuten schon gehörig den Marsch blasen, was ihnen denn einfiel, sie nicht im Schloss zu empfangen.
Schon als sie die Treppe zum Eingang hinaufstieg und energisch den Türklopfer schlug, hatte sie das Gefühl, dass etwas Merkwürdiges im
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