Die Seidenbaronin (German Edition)
Sie wollte keine Gerüchte über ihn hören. Nach all diesen rauschhaften Tagen in Trugenhofen, in denen überall und jederzeit nur von Liebe und Hochzeit gesprochen wurde, sollte ihre erste kleine Romanze nicht durch den Hofklatsch verdorben werden.
Der junge Mann wusste indessen ihr Schweigen nicht zu deuten.
«Sie legen also keinen Wert darauf, einen Brief von mir zu empfangen?», fragte er enttäuscht.
Paulina legte vorsichtig ihre Hand auf seinen Arm. Es war das erste Mal, dass sie eine solche Geste einem Mann gegenüber wagte.
«Ganz im Gegenteil! Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir schrieben.»
Eine knisternde Spannung lag plötzlich in der Luft. Die sachte Berührung hatte eine wohlige Empfindung in Paulina ausgelöst, und sie wünschte sich auf einmal, dass der junge Mann sie in den Arm nehmen würde. Wie es wohl sein mochte, von ihm geküsst zu werden? Sie merkte, dass ihr Bewunderer ein wenig näher rückte und schüchtern den Arm um ihre Taille legte.
«Ich werde Ihnen so oft schreiben, wie es mir möglich ist!», flüsterte er und streifte mit seinen Lippen ihre Wangen.
Paulina schauderte, überwältigt von der Offenbarung ihres jäh erwachten Körpers. Wenn sie geahnt hätte, dass die Liebe ein so süßes Gefühl war! Sie spürte, dass der junge Mann sie mit zitternden Fingern liebkoste, ein wenig verlegen, plötzlich unsicher, ob er eine kühnere Zärtlichkeit wagen durfte.
Paulina bog den Kopf zurück und lehnte sich in köstlicher Erwartung gegen die Wand der Laube.
«Gnädiger Herr!», ertönte eine Stimme aus dem Dunkel. «Gnädiger Herr, sind Sie hier?»
Die beiden jungen Leute ließen voneinander ab. Paulinas Galan sprang auf und lief aus der Laube hinaus.
«Reinhard! Was gibt es?», hörte sie ihn erstaunt fragen. «Seit wann stellst du mir nach?»
«Gnädiger Herr, ich suche Sie schon überall. Sie müssen sofort mitkommen! Ihre Hoheiten wünschen, dass man Sie ihnen vorstellt.»
In großer Eile kehrten die beiden jungen Männer zum Schloss zurück. Paulina gesellte sich schnell zu den anderen Hofdamen, die sie mit ein paar vorwurfsvollen Blicken bedachten. Unterdessen wurde ihr Verehrer vom Oberhofmarschall zum Prinzenpaar geführt. Er trat vor Therese und Karl Alexander.
Als Therese ihn begrüßte, zuckte es leicht um ihre Mundwinkel.
«Ich freue mich außerordentlich, Sie in Schloss Trugenhofen begrüßen zu dürfen, Herr von Bahro», sagte sie mit bebender Stimme. «Wir sind uns vor einem Jahr bei einem Ball in Schloss Braunshardt bei Darmstadt begegnet – vielleicht erinnern Sie sich.»
Der junge Mann verneigte sich galant. «Aber selbstverständlich, Hoheit, ich erinnere mich sehr gut. Jener Abend in Schloss Braunshardt wird mir immer im Gedächtnis bleiben.»
Therese schluckte. Ihr Gesicht war wie erstarrt, nur ihre flatternden Lider verrieten ihre Erregung. «Nun, dann hoffe ich, Monsieur, dass Ihnen der heutige Abend ebenso im Gedächtnis bleiben möge.»
Christian von Bahros bernsteinfarbene Augen funkelten im Schein der unzähligen Lichter. «Dessen können Sie gewiss sein, Hoheit», sagte er und verneigte sich erneut. Sein Blick ging zu Paulina, die wie vom Donner gerührt zwischen den übrigen Hofdamen stand.
«Dieser Abend ist der schönste meines Lebens.»
Kapitel 12
Frankfurt, August 1790
«Wo kommen nur all die Leute her?», stöhnte der Quartiermeister und raufte sich verzweifelt seine wenigen Haare. «Ich weiß wirklich nicht mehr, wo ich sie noch unterbringen soll! Wen kann ich nur der guten Frau Rat Goethe zuteilen? Dass dieser Kurfürst von Hannover aber auch so viele Lehnsherren hat!»
Er sammelte ein paar Papierbogen zusammen, die auf seinem Tisch verteilt lagen. «Aber ich sage Ihnen, das ist noch gar nichts gegen die Gaffer! Sie zahlen ein Vermögen für einen Platz im Fenster eines Hauses, das am Weg des Krönungszuges liegt. Ich könnte da Geschichten erzählen …» Der Quartiermeister schlug das dicke Buch zu, das vor ihm lag. «Und was kann ich für Sie tun, gnädiges Fräulein? Aber sagen Sie mir nicht, dass Sie auch Ihr letztes Hemd für ein Fensterplätzchen geben würden!»
Paulina, die ihn amüsiert beobachtet hatte, hob die Arme. «Keine Sorge, mein Herr! Ich habe schon einen Logenplatz.»
«Nun übertreiben Sie mal nicht, junge Dame! Einen Logenplatz hat allerhöchstens der Fürst von Thurn und Taxis, da Seine Königliche Hoheit im fürstlichen Palais absteigt. Alle anderen können sich glücklich schätzen, wenn sie am
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