Die Seidenbaronin (German Edition)
schweifte ein wenig melancholisch in die Ferne. Er wirkte so ganz anders als die jungen Höflinge, von denen sie immer umgeben war.
Eine Gondel, in der Agnes von Birnreuth und ein paar Edelfräulein des Hofes saßen, glitt an ihnen vorbei.
«Was ist denn das, liebste Freundin?», rief Agnes entrüstet und folgte Paulinas Boot mit neugierigem Blick. «Kaum lässt man Sie ein paar Minuten aus den Augen, schon tauchen Sie mit einem gut aussehenden Verehrer an Ihrer Seite wieder auf!»
Die Begleiterinnen der Regensburgerin begannen, hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln.
«Es ist überall das Gleiche», sagte der junge Mann neben Paulina. «Man wird sich jetzt wahrscheinlich in endlosen Klatschereien über Sie ergehen, Mademoiselle!»
Seine Worte vertrieben die Verlegenheit der jungen Frau.
«Und was machen Sie dann hier, zwischen diesen heuchlerischen Höflingen, wenn Ihnen deren doppelzüngige Art so missfällt?»
Er ließ sich durch ihren Zynismus nicht beirren.
«Es ist ein purer Zufall, dass ich hier bin. Ich komme geradewegs aus Italien. Ein Jahr lang war ich auf Reisen und bin nun auf dem Heimweg. Ich habe meinen Reisekamerad, der zu den Hochzeitsfeierlichkeiten geladen war, nach Trugenhofen begleitet. Wir sind leider ein paar Tage später als geplant eingetroffen … deshalb muss ich gleich morgen wieder aufbrechen.»
«Und wohin fahren Sie dann?», fragte Paulina und verspürte einen Hauch von Enttäuschung.
«Nach Hannover», antwortete er. «Und von dort aus werde ich nach England reisen, um das Land kennenzulernen und zu studieren.»
Nach England!, dachte Paulina wehmütig. Dort könnte sie jetzt auch sein, wenn nicht die Ränkespiele des Hochadels alle ihre Hoffnungen zunichtegemacht hätten.
Der junge Mann blickte sie eindringlich an. «Sie werden mich für verrückt halten und mir nicht glauben, was ich Ihnen jetzt sage. Aber als ich Sie sah, wusste ich sofort, dass Sie die Dame meines Herzens sind.»
Ein wenig verwirrt wich Paulina zurück. «Aber Sie kennen mich doch überhaupt nicht!»
«O doch, ich kenne Sie», sagte er voller Überzeugung. «Ich habe Sie auf dem Bild in der Toskana betrachtet, immer und immer wieder, bis ich abreisen musste. Dann erblickte ich Sie plötzlich zwischen all den Jahrmarktsbuden. Die Dame auf dem Gemälde war lebendig geworden. Und Sie sind genauso, wie ich Sie mir vorgestellt habe: schön, klug, ein wenig rätselhaft, ein wenig eigensinnig. Was hat Sie nach Trugenhofen verschlagen?»
Paulina hatte ihm verblüfft gelauscht. «Sie wissen anscheinend nicht, dass ich die Hofdame Ihrer Hoheit Prinzessin Therese bin!»
«Sie sind die Hofdame Ihrer Hoheit? Aber das ist ja wunderbar! Bis ich aus England zurückkehre, können Sie das gerne noch bleiben!»
«Wie bitte?» Paulina wusste nicht, ob sie belustigt oder verärgert sein sollte. «Und was glauben Sie, wird dann geschehen?»
«Sie werden zu mir kommen!»
Sie stieß ein empörtes Lachen aus. «Zu Ihnen? Sie scheinen sich Ihrer Sache aber sehr sicher zu sein!»
Ihr Begleiter begann zu lächeln. Seine hellbraunen Augen glühten.
«Was Sie betrifft, nein – so viel Vermessenheit besitze ich nicht. Aber was mich betrifft, so bin ich mir sicher: Sie sind die Frau meines Herzens!»
Ein blechernes Hämmern war vom Dorf her zu vernehmen.
«Sie schmieden die Waffen der Liebe», sagte der Gondoliere. «Die Waffen der Liebe für das fürstliche Paar.»
Flammen zuckten durch die abendliche Dämmerung.
«Ah» und «Oh» kam es aus den anderen Gondeln.
Der junge Mann legte seine Hand auf Paulinas Arm. Die Berührung ging ihr durch Mark und Bein. Hatte sie eben wirklich noch gedacht, dass er ein alberner, unverschämter Kerl sei?
Er deutete auf den festlich geschmückten Weiler.
«Schauen Sie, Mademoiselle!»
Die bäuerliche Hochzeitsgesellschaft war nahe dem Seeufer zusammengekommen. Auf einer kleinen Erhebung inmitten der bunten Schar stand ein geflügelter Jüngling mit einem Kranz im Haar. Hoch über seinem Kopf hielt er eine Fackel, deren Flamme im Abendhimmel weithin leuchtete.
«Der Hochzeitsgott schwingt das Feuer der Liebe», schwärmte der Gondoliere.
Ihr Begleiter beugte sich zu Paulina herüber. Sie spürte seinen Atem an ihrem Ohr, als er flüsterte: «Ich wage es kaum zu hoffen, Mademoiselle, aber vielleicht wird es auch das Feuer unserer Liebe sein.»
Es war eine laue Sommernacht. Im Festsaal von Trugenhofen hatte der Höhepunkt des Abends begonnen: der Ball. Unter den Augen der gaffenden
Weitere Kostenlose Bücher