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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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Hochzeitsgäste. Bald standen die Höflinge den Burschen und Mädchen des Dorfes an Ausgelassenheit in nichts nach.
    Was für ein Rummel! Taschenspieler mit flinken Fingern und listigem Blick führten ihre Tricks vor. Eine Frau mit pechschwarzem Haar und flatternden Tüchern um die Schultern versprach in fremdländischem Akzent, in die Zukunft schauen zu können. Quacksalber priesen mit aufdringlichem Gehabe ihre Cremes und Kräutersude an.
    Paulina schlenderte an den Marktbuden entlang, als ihr ein Gaukler in Harlekinskostüm und Schellenmütze in den Weg sprang und mit gespreizten Armen und Beinen vor ihr stehen blieb. In einem merkwürdigen Singsang rief er: «Wo ist Ihr Kavalier, schönes Fräulein? Heute ist der Tag der Liebe, da darf kein Mädchen alleine bleiben.»
    Er vollführte ein paar pittoreske Bewegungen, dann beugte er plötzlich den Oberkörper vor und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Paulina. «In welchem Mannesherz wird dieses Wunderwerk der Schöpfung wohl die große Liebe wecken?» Die Augen hinter seiner bizarren Maske waren weit aufgerissen. Er ließ seinen Kopf langsam rundum schweifen.
    «In meinem!», ertönte eine Stimme im Hintergrund.
    Aus der Menge der Zuschauer löste sich ein großgewachsener junger Mann, der mit ungläubigem Blick auf Paulina zukam und vor ihr stehen blieb. In seinem von der Sonne gebräunten Gesicht funkelten zwei honigfarbene Augen.
    «Es ist unbegreiflich! Ich dachte erst, ich sähe eine Erscheinung, aber Sie sind tatsächlich aus Fleisch und Blut!»
    «Aus was sollte ich wohl sonst sein, Monsieur?», fragte Paulina amüsiert. «Mir scheint, die romantische Stimmung dieses Ortes hat Ihnen die Sinne vernebelt.»
    «Der Eindruck mag entstehen», gab der junge Mann zu, «aber ich kann Ihnen versichern, dass ich mich tatsächlich in Sie verliebt habe, ohne Ihnen jemals begegnet zu sein.»
    Paulina warf ihren Kopf zurück und begann schallend zu lachen. «Immerhin mangelt es Ihnen nicht an Phantasie! Eine wirklich originelle Art und Weise, sich einer Dame zu nähern! Haben Sie eine ähnlich geistreiche Erklärung dafür, wie man sich in eine Frau, die man nicht kennt, verlieben kann?»
    Der Blick des jungen Mannes hing wie gebannt an ihrem Gesicht.
    «Ich habe Sie auf einem Gemälde gesehen, in einem Schloss in der Toskana. Es ist noch keine vier Wochen her. Sie müssten es kennen, denn schließlich haben Sie dem Maler Modell gestanden.»
    «Die Dame auf dem Bild muss eine Doppelgängerin von mir sein. Ich schwöre Ihnen, dass ich noch nie in der Toskana war!»
    «Dann hat der Maler Sie aus der Erinnerung auf die Leinwand gebracht», beharrte er. «Und ich muss sagen, es ist ihm außerordentlich gut gelungen. Sie sind die hübscheste junge Dame, die ich je gesehen habe.»
    In diesem Moment dämmerte es Paulina, um wessen Porträt es sich in dem Schloss in der Toskana gehandelt haben könnte. Stammte Antonia von Gralitz-Boltenhusen nicht aus der Toskana?
    «Ich habe mich auf der Stelle in Sie verliebt», fuhr der junge Mann fort. «Und dass ich Ihnen jetzt begegne …!»
    Die umstehenden Gaffer, die das Interesse an dem sonderbaren Dialog der beiden jungen Leute zu verlieren begannen, wandten sich einem neuen Spektakel zu.
    «Seht nur, auf dem See!», rief einer. «Wir wollen eine Fahrt mit den Gondeln machen.»
    Paulina wurde von der Menge mitgerissen, die aufgeregt zu einem kleinen Weiher strömte, auf dem lauter schwarze Gondeln schaukelten. Gondolieri in silberverbrämten Wämsern standen mit stolzgeschwellter Brust am Heck und warteten auf ihre Fahrgäste.
    Wild durcheinander schwatzend, verteilten die Höflinge sich auf die Boote, und im Nu glich der ländliche Dorfweiher einem venezianischen Kanal. So mochte es in Versailles zu Zeiten des großen Sonnenkönigs zugegangen sein, und fast erwartete man, jeden Moment eine gewaltige Fontäne aus dem trüben Wasser des Weihers emporspringen zu sehen. Während Paulina fasziniert die märchenhafte Szenerie betrachtete, tauchte wie aus dem Nichts ihr junger Bewunderer auf.
    «Kommen Sie, Mademoiselle!» Er führte die verblüffte Paulina zu einem der Boote und half ihr, in die Gondel zu klettern. Der Gondoliere löste die Leine und tauchte sein Ruder in den See. Lustig wippend setzte das Boot sich in Bewegung.
    Nachdem sie sich von der Überraschung erholt hatte, wandte Paulina den Kopf und betrachtete ihren Begleiter verstohlen von der Seite. Er mochte nur ein paar Jahre älter sein als sie. Sein ernster Blick

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