Die Seidenbaronin (German Edition)
davon geschrieben. «Würden Sie dann so freundlich sein, mir zu sagen, wo das Regiment sich befindet!»
Der Verwalter starrte sie regungslos an. «Falls Sie auf die Idee kommen sollten, Herrn von Bahro dort aufzusuchen, möchte ich Ihnen eindringlich davon abraten. Sie würden sich den Unmut des Grafen zuziehen.»
«Den Unmut des Grafen habe ich mir ohnehin zugezogen», erwiderte Paulina. «Das wird mich jedoch nicht daran hindern, mit seinem Sohn in Verbindung zu treten.»
«Dann sollten Sie wissen, Mademoiselle, dass der junge Herr von Bahro auf Ihr Erscheinen keinen Wert legt.»
«Wer hat Ihnen das gesagt?»
«Der junge Herr von Bahro selbst! Ich soll Ihnen ausrichten, dass er Sie nicht zu sehen wünscht.»
Paulina fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Stimmte es, was der Graf gesagt hatte? Empfand Christian nichts mehr für sie? Vielleicht hatte er deshalb so lange nicht geschrieben. Wie hatte sie nur so dumm sein können, alles für ihn aufs Spiel zu setzen – ihr Hofamt, ihre Freundschaft zu Therese, ihre ganze Existenz?
Jetzt blieb ihr nur noch eine Möglichkeit.
«Dann melden Sie mich bitte der Gräfin Bahro!»
Auf dem Gesicht des Barons erschien ein gequältes Lächeln. «Ich fürchte, Sie wieder enttäuschen zu müssen, gnädiges Fräulein. Die Gräfin Bahro darf keinen Besuch empfangen.»
Paulina bekam gute Lust, dem eingebildeten Verwalter an die Gurgel zu springen. «Mir ist durchaus bekannt, dass die Gräfin erkrankt ist. Allerdings weiß ich aus zuverlässiger Quelle, dass kein Anlass zur Sorge besteht. Meine Großtante wäre sicher nicht erfreut, wenn sie erführe, dass ich hier war und sie nicht besucht habe.»
«Sie sind in zweierlei Hinsicht im Irrtum, Mademoiselle. Erstens ist das Befinden der Gräfin ernster, als Sie es zu wissen glauben, und zweitens wird die Entscheidung darüber, wer von ihr empfangen wird oder nicht, zukünftig nicht mehr von ihr selbst getroffen werden.»
«Was reden Sie da?», rief Paulina wütend. «Ich kenne meine Großtante sehr gut! Sie wird sich ihre Entscheidungen nicht aus der Hand nehmen lassen.»
«Das mag vielleicht früher so gewesen sein. Inzwischen haben sich die Dinge geändert.»
Paulina überlegte. Sie hatte die Gräfin seit Thereses Hochzeit nicht mehr gesehen. Das war vor etwas mehr als einem Jahr gewesen.
«Davon möchte ich mir gern selbst ein Bild machen!», sagte die junge Frau energisch. «Führen Sie mich umgehend zu ihr, Herr Baron! Ich bin schließlich kein gewöhnlicher Besuch, sondern eine Verwandte der Gräfin. Nach dem Tod meiner Mutter bin ich die letzte Verbindung zu Frau von Bahros Darmstädter Familie.»
Der Baron Nordberg blieb unbeeindruckt. «Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Gräfin in den letzten Jahren große Zuneigung für ihre etwas … hm … bedauernswerten Darmstädter Angehörigen gezeigt hätte. Ich kenne die Verhältnisse in Darmstadt recht gut, da ich im vergangenen Jahr die undankbare Aufgabe hatte, mich um die miserable Vermögenslage der Dornfelds kümmern zu müssen.»
«Was heißt das, Herr Baron?»
«Nun ja, Ihr Großvater ist nicht nur hoch verschuldet, sondern hat auch noch mit Hilfe seines ebenso unfähigen Sohnes das Schloss in Allenhofen verpfändet!»
Paulina schluckte. Das musste ein schwerer Schlag für ihre Großtante gewesen sein. Immerhin war Schloss Allenhofen das Erbe ihrer seligen Eltern.
«Frau von Bahro geht es nicht gut», fuhr der Baron Nordberg fort. «Ich habe Anweisung, während der Abwesenheit des Grafen die Besuche bei seiner Mutter strikt zu überwachen und nur in besonderen Fällen zu erlauben. Augenblicklich ist sie nicht in der Lage, Gäste zu empfangen.»
Paulina war nun zutiefst aufgewühlt. «Was um Gottes willen fehlt der Gräfin denn?»
«Ich habe außerdem Anweisung, keine Auskünfte über das gesundheitliche Befinden der Gräfin zu geben. Besonders nicht Ihnen!»
Deutlicher hätte er es nicht sagen können. Paulina begriff plötzlich, in welch übler Lage sie sich befand. Nicht im Traum wäre sie auf die Idee gekommen, dass man sie gar nicht zu ihrer Großtante vorlassen würde. Nun hatte sie nicht einmal mehr genug Geld, um nach Frankfurt zurückzukehren! An wen sollte sie sich jetzt wenden?
Als ob er ihre Gedanken ahnen würde, fragte der Baron Nordberg: «Kann ich noch irgendetwas für Sie tun, Mademoiselle?»
Paulina blickte in sein scheinheiliges Gesicht.
«Nein», sagte sie hochmütig und wusste, dass sie diesen kurzen Moment des Stolzes
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