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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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begehen, mein Kind! Aus dem, was Sie gestern Abend gefaselt haben, konnte ich entnehmen, dass Sie sich durch Ihr unbedachtes Verhalten in eine üble Lage gebracht haben. Ich habe selbst eine Tochter in Ihrem Alter, deshalb gebe ich Ihnen einen guten Ratschlag: Jeder andere Ort ist besser geeignet für Sie als Erldyk. Bringen Sie Ihre Angelegenheiten schleunigst in Ordnung und kehren Sie dorthin zurück, woher Sie gekommen sind!»
    Paulina zögerte. Sollte sie ohne Geld und ohne ein Dach über dem Kopf in Hannover bleiben? Wenn sie erst einmal in Erldyk war, konnte sie sich immer noch an Therese oder an ihren Großvater wenden. «Was ist verwerflich daran, dass ich das Bedürfnis verspüre, meinen Vater zu besuchen, den ich seit vielen Jahren nicht gesehen habe?»
    «Sie scheinen nicht zu wissen, dass Ihr Vater kein Mensch ist, den man einfach so besucht», sagte Kronwyler sanft. «Ich möchte es nicht verantworten, diesem Mann ein so junges, unschuldiges Mädchen zu übergeben, sei es nun seine Tochter oder nicht.»
    «Ihre väterliche Besorgnis ehrt Sie, Herr Kronwyler!», erwiderte Paulina. «Aber ich bin alt genug, um selbst über mein Leben zu entscheiden. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich behaupten muss. Ich weiß, was mich bei meinem Vater erwartet, und ich fühle mich durchaus in der Lage, damit fertig zu werden.»
    «Sie wissen, was Sie erwartet, und wollen dennoch nach Erldyk fahren? Obwohl es anderswo Menschen gibt, die Sie vermissen und unglücklich über Ihr Fortgehen sind?»
    «Finden Sie nicht, dass dies meine Angelegenheit ist? Ich habe Sie lediglich gebeten, mir einen Platz zu gewähren. Von einer Moralpredigt war keine Rede.»
    Aus Kronwylers Miene war alle Freundlichkeit gewichen. Mit scharfem Blick sah er Paulina an. «Also gut. Mir scheint, dass Sie von Ihrer kopflosen Idee nicht abzubringen sind. Ich bin bereit, Sie mitzunehmen. An mein Einverständnis sind jedoch zwei Bedingungen geknüpft: Erstens werde ich von Ihrem Vater keine Bezahlung annehmen, und zweitens wünsche ich, danach nie wieder etwas von Ihnen zu hören.»

Kapitel 15
    Erldyk, September 1790
    Im fahlen Mondlicht sah die mit Unkraut überwucherte Zufahrt von Schloss Erldyk so gespenstisch aus, dass Paulina am liebsten sofort wieder umgekehrt wäre. Selbst Thomas, dem sonst bei jeder Gelegenheit ein lockerer Spruch auf den Lippen saß, war ungewöhnlich schweigsam, als die Kutsche auf das zwischen den Bäumen liegende Herrenhaus zusteuerte.
    «Was für ein geisterhafter Ort!», flüsterte er. «Es sieht fast so aus, als seien die Bewohner des Hauses ausgeflogen, so dunkel, wie es ist.»
    «Der Herr Baron verlässt nie das Schloss», sagte Terbrüggen trocken. «Man erzählt, dass er abends nur vor einer Kerze sitzt und nie das Licht anzündet. Aber genau weiß man es nicht, denn Herr von Gralitz pflegt keinen Umgang mit anderen Menschen.»
    Die Kutsche fuhr in den Schlosshof ein und wirbelte das herumliegende Laub auf. Kronwyler stieg aus und half Paulina aus dem Wagen. Mit bangem Herzen sah sie sich um. Bedrohlich setzte sich das verlassen wirkende Haus mit seinem Türmchen in der Mitte vom Nachthimmel ab. Paulina ließ ihren Blick über die Fassade schweifen und entdeckte schließlich hinter einem der Fenster im ersten Stock ein schwaches Licht.
    «Ich bringe Sie zur Tür!», sagte Kronwyler. «Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich nicht mit hineingehe, denn wir haben noch eine gute Meile bis Crefeld vor uns.»
    Sie stiegen eine kurze Treppe hinauf, deren Stufen an vielen Stellen gebrochen waren. Kronwyler betätigte den Türklopfer.
    Nach einer halben Ewigkeit wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, und eine alte Frau mit einem Kerzenstumpf in der Hand tauchte auf.
    «Ich bringe Ihnen Fräulein von Gralitz, die Tochter des Barons», sagte Kronwyler.
    Die Alte stieß einen spitzen Schrei aus. Sie riss die Tür weiter auf und hielt den Besuchern die Kerze ins Gesicht.
    «Allmächtiger!», rief sie und schlug die Hand vor den Mund.
    Kronwyler stellte Paulinas Reisetasche ab. «Sie sind in Schloss Erldyk, gnädiges Fräulein. Mein Teil unserer Abmachung ist erfüllt, nun denken Sie auch an den Ihren! Ich wünsche Ihnen alles Gute, und das können Sie weiß Gott gebrauchen.»
    Noch ehe Paulina ihm danken konnte, zog er seinen Hut, lief die Treppe hinunter und verschwand in der Kutsche. Als sei der Teufel hinter ihnen her, ließ der Kutscher die Peitsche über die Pferde knallen, und der Wagen preschte vom Hof.
    «Ich

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