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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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nicht zuwider sein, sich der Fähigkeiten einer Frau zu bedienen.»
    Der General stutzte. «Woher sprechen Sie ein so exzellentes Französisch? Ist das in Ihrem Land nicht die Sprache der fürstlichen Höfe?»
    Er musterte die junge Frau misstrauisch, und Paulina wurde es angst und bange bei dem Gedanken, dass er hinter ihrer bürgerlichen Fassade die Angehörige des Standes entdecken könnte, gegen den er Krieg führte.
    Sie beschloss, ihn bei seinem Vaterlandsstolz zu packen.
    «Es ist vor allem die Sprache der Literatur, der Kunst und der geistigen Freiheit», sagte sie höflich.
    Der General kniff die Augen zusammen. Es machte nicht den Eindruck, als sei er ein Liebhaber schöngeistiger Themen, doch ihm schien zu gefallen, was die junge Frau sagte. Seine Gesichtszüge entspannten sich.
    «Also gut», willigte er ein. «Da Sie nicht nur gut Französisch sprechen, sondern offenbar auch Verstand besitzen, nehme ich Ihre Dienste in Anspruch. Vorsichtshalber möchte ich Sie jedoch vor der unter Frauen üblichen Angewohnheit warnen, die Dinge unnütz auszuschmücken.»
    Paulina hätte dem ungehobelten Kerl am liebsten eine passende Bemerkung an den Kopf geworfen, doch sie hielt es für klüger zu schweigen. Bei der Übersetzung seiner Bedingungen indessen blieb ihr fast das Wort im Hals stecken. La Marlière verlangte neben der erwarteten Bereitstellung von Lebensmitteln und Kleidung eine sofortige Kriegsauflage in Höhe von dreihunderttausend holländischen Gulden, zahlbar bis nachmittags um drei Uhr. Sollte ihm das Geld bis dahin nicht komplett zur Verfügung stehen, setzte er hinzu, werde er zur Sicherstellung des Restbetrages Geiseln nehmen.
    Die Crefelder Würdenträger waren wie vor den Kopf geschlagen. Als der General den Rathaussaal genauso stürmisch wieder verließ, wie er ihn betreten hatte, entbrannte eine wilde Debatte unter den anwesenden Herren.
    «Das also soll die Rechtlichkeit der französischen Nation sein», schimpfte Bürgermeister Althoff.
    «Woher sollen wir nur so viel Geld nehmen?», stöhnte der Seidenfabrikant Floh. «Wir haben nicht einmal drei Stunden Zeit!»
    «Dann müssen wir das Unmögliche eben möglich machen», sagte Friedrich Heinrich von der Leyen bestimmt. «Und da Sie bereits die knappe uns zur Verfügung stehende Zeit ansprachen, schlage ich vor, dass wir uns sofort an die Arbeit begeben. Ein jeder möge prüfen, was er bereitstellen kann!»
    «Wenn dieser Unmensch nur keine Geiseln nimmt!», jammerte Jean, der mittlerweile im Rathaus eingetroffen war. Frau von Ostry hatte ihn in den Räumen seiner Gattin aufgetrieben, wo er angsterfüllt den Einzug der Franzosen mit angesehen hatte. «Es muss schrecklich sein, sich in seiner Gewalt zu befinden.»
    Kronwyler packte ihn am Arm. «Alles Lamentieren nützt nichts! Wir müssen ausrechnen, wie viel Geld Kronwyler Sohn und von Ostry zu der Summe beisteuern können. Da Ihr Vater nicht anwesend ist, bitte ich Sie, in seiner Vertretung zu handeln.»
    Der Magistrat und die Crefelder Fabrikanten und Kaufleute vereinbarten, sich unverzüglich in ihre jeweiligen Geschäftshäuser zu begeben. Man würde Rechnungsbücher durchforsten, Bargeldbestände prüfen und Wechsel zeichnen.
    Die Stadt hielt den Atem an. Würde der despotische General seine Drohung wahr machen, wenn ihm das Geld nicht in der gewünschten Höhe übergeben werden konnte?
    La Marlière quartierte sich im Haus der von der Leyens ein und ließ sich fürstlich bewirten, während die Crefelder fieberhaft versuchten, Geld aufzutreiben.
    Kurz vor Ablauf der Frist versammelten sich der Magistrat und die führenden Kaufleute erneut im Rathaussaal. Man hatte fast achtzigtausend Gulden aufgebracht, von denen dreißigtausend allein durch die Familie von der Leyen zur Verfügung gestellt wurden.
    «La Marlière ist so geldgierig, dass er sich damit einstweilen zufriedengeben wird», redete Althoff sich ein. «Wir bieten ihm an, den Rest so bald wie möglich, zuzüglich eines angemessenen Zinssatzes, zu zahlen.»
    «Er wird nicht so dumm sein, es sich mit uns zu verscherzen», stimmte Oppermann zu. «Nicht jede der Städte, in die er zieht, hat so reiche Kaufleute zu bieten.»
    «Messieurs!», rief Pierre und breitete beschwörend die Arme aus. «Ihre Zuversicht in allen Ehren, aber sie ist nicht angebracht! Und das sage immerhin ich, der ich im Allgemeinen den Optimismus für mich gepachtet habe. Bedenken Sie, dass wir nicht in der Position sind, Forderungen zu stellen! La Marlière

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