Die Seidenbaronin (German Edition)
hinein.
«Ihnen, gnädige Frau?», fragte Homberg.
«Warum nicht? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, bringt es das Unternehmen in arge Schwierigkeiten, wenn nicht bald eine Entscheidung getroffen wird. Wir haben nicht die Möglichkeit zu warten, bis Herr von Ostry oder Herr Kronwyler zurückkehren. Vielleicht gelingt es mir, meinen Schwager davon zu überzeugen.»
Homberg war so verzweifelt, dass er sich an Paulinas Vorschlag klammerte wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Vertraulich näherte er sich der jungen Frau.
«Nun, ich werde Ihnen die Lage kurz erklären. Ihr werter Schwiegervater und Herr Kronwyler planten, den Verkauf ihrer Produkte nach Amerika auszuweiten. Sicher ist Ihnen bekannt, dass Herr von Ostrys Bruder vor einigen Jahren dorthin ausgewandert ist. Er wird den Absatz auf dem neuen Kontinent organisieren. Ein holländischer Agent soll sich um die Verschiffung in Amsterdam kümmern. Kronwyler Sohn und von Ostry standen kurz vor einem Vertragsabschluss mit dem Holländer.»
«Das bedeutet also, dass der Vertrag mit dem Agenten unterzeichnet werden muss.»
«So ist es. Am besten so schnell wie möglich.»
«Warum ist die Sache so eilig? Herr von Ostry wird sicher in wenigen Tagen zurückkehren.»
«Das dachte ich auch. Aber heute Morgen traf eine Eilnachricht Ihres Schwiegervaters an Kronwyler ein. Zweifellos weiß er noch nicht, was mit dem Armen geschehen ist. Herr von Ostry bat in dieser Botschaft ausdrücklich um sofortigen Vertragsabschluss.»
«Warum? Der Agent läuft uns doch nicht weg!»
«Noch hält er sich in Crefeld auf. Aber er wird morgen nach Holland abreisen – bis jetzt leider ohne Auftrag von uns. Wenn sich niemand um die Verschiffung der Bestände in unserem Lager in Amsterdam kümmert, werden wir enorme Verluste erleiden. Das können wir uns gerade jetzt, wo wir zur Zahlung der Kriegsauflage beitragen müssen, nicht leisten.»
«Das leuchtet mir ein», sagte Paulina, woraufhin ein erleichtertes Lächeln über Hombergs Gesicht ging.
«Die Vertragsunterzeichnung ist im Sinne Ihres Schwiegervaters», beeilte er sich zu versichern, «und auch im Sinne des armen Kronwylers. Er war kurz davor, die Sache unter Dach und Fach zu bringen, als sich dieser unglückselige … Zwischenfall ereignete.»
«Je nachdem, wie der Krieg sich weiterentwickelt, wird von uns niemand nach Amsterdam reisen können», überlegte Paulina. «Unsere Waren würden in Amsterdam im Lager liegen, und wir könnten von ihnen abgeschnitten sein. Deshalb wollte Herr von Ostry sicherstellen, dass der Vertrag so schnell wie möglich unterschrieben wird.»
Der kleine Buchhalter lächelte beglückt. «Ich sehe, Sie haben eine rasche Auffassungsgabe, gnädige Frau.»
Paulina stand entschlossen auf. «Bereiten Sie alles vor, Homberg. Ich werde mit meinem Schwager reden. Falls ich ihn nicht überzeugen kann, werden wir eine andere Lösung finden.»
Der Kontorangestellte konnte sein Glück kaum fassen. Seine Augen glänzten. «Ich werde den Agenten sofort herbestellen!»
Frau von Ostry und Catherine starrten Paulina sprachlos an, als könnten sie nicht glauben, was gerade geschah. Homberg indes verabschiedete sich mit einigen hektischen Verbeugungen und stürmte voller Tatendrang aus dem Zimmer. Bevor es Frau von Ostry oder Catherine einfallen konnte, in wildes Protestgeschrei auszubrechen, eilte Paulina hinterher, um sich auf die Suche nach ihrem Schwager zu machen.
Jean hatte sich in die Gemächer seiner Gattin zurückgezogen.
Er geriet außer sich, als Paulina ihm kurzerhand mitteilte, dass der holländische Agent sich auf dem Weg ins Geschäftshaus befand, um den Vertrag zu unterzeichnen. «Wie kommen Sie dazu, derartige Vereinbarungen zu treffen?»
«Weil Sie sich sonst vorwerfen lassen müssen, das Unternehmen Ihres Vaters ruiniert zu haben», antwortete Paulina trocken.
«Woher nehmen Sie die Unverschämtheit, so etwas zu behaupten?»
Paulina wiederholte mit knappen Worten, was Homberg ihr erklärt hatte.
Jean wand sich. «Ich habe noch nie eine Entscheidung von solcher Tragweite getroffen.»
«Haben Sie denn nicht die Nachricht Ihres Vaters gelesen? Er schrieb, dass der Vertrag sofort unterzeichnet werden solle.»
«Sofort bedeutet nicht heute!»
«Wenn der Vertragspartner morgen abreist, bedeutet es sehr wohl heute!»
«Dieser Agent muss eben bleiben, bis Vater oder Kronwyler zurückkehren.»
«Er wird aber nicht bleiben.»
Jean drehte sich weg. «Mein Vater kennt die derzeitige
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