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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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konnte. War
es etwa die kleine goldene Statue, die der Mann da in der Hand hielt? Als sie die kleine Madonna in seinen dicken Fingern funkeln sah, seufzte sie erleichtert und schloss die Augen.
    »Wie kommt Ihr zu dieser Statue, Abbé?«, rief der alte Herr, und seine Oberlippe begann nervös zu zucken.
    »Ganz einfach«, antwortete Abbé Mirepoix. »Ich habe gehört, dass Erzbischof de Lenoncourt das Verschwinden dieses Gegenstands beklagt hat, nachdem Dame Cassex ihn aufgesucht hatte. Sie befand sich aber nur nicht an ihrem angestammten Platz, weil man sie zum Restaurator gebracht hatte. Das muss der Erzbischof wohl vergessen haben.«
    »Nein, sie hat meine Madonna gestohlen!«, rief La Tournelle verbissen.
    »Im Gegenteil«, widersprach der Mönch ganz ruhig. »Dame Cassex hat mir unwissentlich geholfen, den verlorenen Gegenstand an einem Ort wiederzufinden, an den man ihn nie hätte stellen dürfen - nämlich im Pfarrhaus. Als ich die junge Weberin dorthin brachte, weil sie um ein Gespräch mit Erzbischof de Lenoncourt ersucht hatte, fiel mir wieder ein, dass ich die kleine Statue zum Restaurieren bringen sollte. Also nahm ich sie an mich, ohne zu ahnen, zu welchen Anschuldigungen mein Handeln führen sollte.«
    Offen gestanden war die Geschichte von Abbé Mirepoix nicht hieb- und stichfest. Doch was spielte das schon für eine Rolle! Wichtig war doch nur, dass er die Angeklagte vor den Vertretern des Gesetzes und den Wachen rettete, ohne dabei den Bischof oder den alten Edelmann anzugreifen.
    Er wandte sich wieder an Alix und sagte niedergeschlagen:
    »Ich bin untröstlich, dass ich Euch in so eine unerfreuliche Geschichte verwickelt habe, nur weil ich die Statue ohne weitere Nachfragen zum Restaurator gebracht habe.«

    Dann trat er vor und wiederholte seine Entschuldigung vor allen Anwesenden. Sogar die Hellebardiere und die Wachen wurden mit einer höflichen Verbeugung bedacht.
    »Ich hoffe, die Frau wird auf der Stelle freigelassen.«
    »Das hoffe ich allerdings auch«, sagte Alix. »Diese Männer haben mich sehr respektlos behandelt!«
    Sie trat auf Seigneur de La Tournelle zu und musterte ihn kühl.
    »Kämpft in Zukunft mit anderen Mitteln als mit Niedertracht und Lüge!«
    »Unverschämtes Luder!«, empörte sich La Tournelle. »Ihr habt vielleicht nicht die kleine Statue gestohlen, aber Ihr habt uns das Wappen von Tours geraubt.«
    »Soweit ich weiß, gehört Euch die Stadt Tours nicht, Sire. Ihr seid nur Herr über Euer Schloss, Eure Güter und Eure Ländereien.«
    Und dann verstand sie plötzlich, warum der alte Herr so außer sich war, als er ihr hinterherrief:
    »Mein ›T‹ wird Euch niemals gehören!«
    Er wollte nämlich alle Tapisserien, die er bei den Webern bestellt hatte, mit dem Buchstaben »T« für seinen Familiennamen de La »Tournelle« unterzeichnen lassen.

15
    Ruhig und friedlich lag das Haus im warmen Abendlicht. Bertille goss gerade die Osterglocken vor dem Fachwerk, die ein zeitiger Frühling schon in dicken Büscheln aus dem Boden lockte.
    Alix bat Abbé Mirepoix ins Haus, dem noch immer die Genugtuung ins Gesicht geschrieben stand, weil es ihm gelungen war, den alten Seigneur de La Tournelle, den er noch nie leiden konnte, zum Besten zu halten. Dass er seinen jungen Schützling aus einer misslichen Lage hatte befreien können, die nur Nachteile für ihre Arbeit bedeutet hätte, freute ihn umso mehr.
    Beim Anblick des Prälaten war die Bertille ins Haus gestürzt und gab sich ganz verzweifelt, als wüsste sie nicht, was sie dem Gast zum Abendessen vorsetzen sollte. Am Morgen hatte sie ein Hähnchen gerupft, und es gab noch ein paar schöne Stücke Hammel zu den Erbsen, die sie am Vorabend gepult hatte. Auf der Stelle verschwand sie in der Küche, um ihre ehrgeizigen kulinarischen Pläne in die Tat umzusetzen.
    Als Alix Mathias und Pierrot von ihrem Verdruss berichtet hatte, verwünschten die beiden den Bischof und hofften, er möge dafür irgendwann in der Hölle schmoren.
    »Ehe es dazu kommt, wird er mich wohl bald aus dem Erzbistum Reims verjagen«, meinte der Abbé.
    »Oh je!«, sagte Alix verwundert, dass der Abbé dieser Drohung so gelassen ins Gesicht sah. »Was wollt Ihr denn dann machen, wenn Euch der Erzbischof verjagt? Wo wollt Ihr dann hin?«
    »Das weiß ich noch nicht. Aber das Klima in Reims gefällt mir
ohnehin nicht. Dort konnte ich mich eigentlich nur für meine Kräuter begeistern. Ich werde schon noch einen anderen Platz finden.«
    »Aber wo denn?«, fragte

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