Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
im Hafen von Genua Frachter entladen hatte, war er an Diebe und Räuber gewöhnt und scheute keinen Kampf, egal ob mit dem Messer oder mit der nackten Faust.
    »Lass uns durch, Zwerg, sonst bohre ich dir ein Loch in den Pelz!«
    Der kleine Mann sah das Messer in Leos Hand blitzen und machte erschrocken einen Schritt zurück.
    »Hast du gar keine Angst vor der Lepra?«
    »Du hast genauso wenig Lepra wie ich.«
    Der Zwerg lachte höhnisch.
    »Stimmt, aber ich bin ärmer als du.«
    »Da hast du natürlich recht«, mischte sich Alix ein. »Lass uns vorbei, dann gebe ich dir einen Sou.«
    »Ihr wollt Euch wohl über mich lustig machen, gute Frau, wenn Ihr hier vorbei wollt, müsst Ihr mir schon wenigstens die Hälfte von Eurem Geld geben.«

    »Das ist ja wohl nicht dein Ernst!«, sagte Leo empört, »nimm das, mehr gibt’s nicht«, und warf ihm einen Sou vor die Füße, der auf dem Pflaster klimperte. Zum Glück hatte er immer einen oder zwei in den Falten seines weiten Kutschmantels versteckt. Während sich der Zwerg nach der Münze bückte, suchte Alix schnell ein paar Geldstücke aus ihrer Börse und warf sie ihm zu. Alle drei hüpften klirrend über den Boden, und als sich der Buckelige wieder bückte, um sie aufzusammeln, trieb Leo Jason auf ihn zu. Das Pferd rannte ihn über den Haufen, und der Zwerg verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden. Als Alix und Leo außer Reichweite waren, sahen sie, wie er gegen eine Hauswand stieß, sich dann aber mit den Münzen in der Hand wieder aufrappelte.
    Am Ende der engen Gasse mit den niederen Häusern erreichten sie einen Platz, auf dem Schausteller ihre Kunststückchen zeigten und mit Ringen, Bällen und brennenden Fackeln jonglierten. Einer trommelte, ein anderer spielte Trompete und ein unglaublich dicker Mann mit einem Affen auf der Schulter hielt einen Bär an der Leine und ließ ihn tanzen. Von dem Geschrei des Affen und der Musik angetrieben, drehte sich der Bär langsam im Kreis herum und grüßte die Zuschauer mit der Tatze.
    »Jetzt weiß ich wieder, wo wir sind«, meinte Leo. »Wir sind direkt hinter der Kathedrale. Seht nur, Dame Alix, die Straße, in der Sire Van de Veere wohnt, ist gleich hier links!«
    Mit dem Finger deutete er auf den großen Platz direkt vor ihnen und zeigte ihr die Straße.
    »Ein Glück!«, seufzte Alix erleichtert. »Ich glaube, du kannst mich jetzt allein lassen und zu Angela zurückgehen. Hast du noch ein paar Münzen?«
    »Ich habe noch zwei. Das reicht, falls mir noch einer von diesen Gaunern über den Weg laufen sollte.«
    Doch Alix irrte, wenn sie glaubte, endlich alles überstanden zu haben. Immer noch war sie weit entfernt vom Anwesen des Sire Van de Veere. Auf dem Platz vor der Kathedrale, von dem aus es in die Straße ging, in der der Bankier wohnte, schritten Geistliche feierlich in zwei langen Reihen mit dem Bischof von Brügge in ihrer Mitte, der auf einem weißen Maultier mit einer Decke aus goldenem Samt saß.
    Der Bischof trug eine prächtige Robe aus purpurrotem Brokat und grüßte huldvoll in die Menge, die ihm begeistert zujubelte. Zum Klang von Trompeten und Tambouren bewegte sich die Prozession langsam vorwärts; an der Spitze marschierten Hellebardiere und Soldaten im Takt.
    Das Wasser in den Kanälen unter den Brücken hatte eine ähnliche Farbe wie das Fest. Geschmückte Transportschiffe glitten in Zweierreihen dahin und hielten an den Schleusen, die sich ständig öffneten und schlossen, um den Verkehr auf dem Fluss durchzulassen, der fast genauso dicht war wie der auf den Plätzen und in den Straßen.
    Über dem Bürgermeister und seinen Schöffen auf ihren Pferden, die ebenso prächtig ausstaffiert waren wie ihre Reiter, wehten Fahnen. Ihnen folgten einige Damen von Rang, deren spitze Hüte mit den Schleiern, die wie zarte Libellenflügel hinter ihnen herwehten, in den Himmel ragten. Diese Hüte waren bei den vornehmen flämischen Damen noch sehr in Mode und kamen bei solch einer Veranstaltung erst richtig zur Geltung.
    Die Kapitäne der flämischen Schiffe machten sich bereit, an Bord zu gehen und ihren Gästen aus Venedig entgegenzufahren. Alle bestaunten und bewunderten sie, während Alix sich kaum durch die Menschenmenge drängen konnte, gegen die Jason immer wieder wie gegen eine Mauer lief.
    Endlich gelang es ihr aber doch irgendwie, ihr Pferd zu der
Straße zu lenken, in die sie unbedingt wollte. Nun musste sie noch ein Heer von Söldnern passieren, die von ihrem Kapitän mit seiner aufgestellten

Weitere Kostenlose Bücher