Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
von Kummer über ihre Stirn huschen.
    »Macht Euch keine Sorgen, Dame Alix. Diesmal werdet Ihr bestimmt mit einem Bankier einig werden.«
    Alix lächelte sie an. Angela steckte voller Überraschungen. Sie war eine wunderbare Gesellschafterin - spontan, lebendig, intelligent und schlagfertig. An das verängstigte, eingeschüchterte kleine Mädchen, das sie in das Gasthaus in Arras mitgenommen hatte, erinnerte nichts mehr. Wo war die schreckhafte Angela geblieben, die gleich am ersten Abend in einen Zuber mit heißem
Wasser getaucht war, um ihren Dreck, ihre Schande und ihre Angst abzuwaschen? Zum Glück hatte sie das Mädchen nicht diesem brutalen, aufgeblasenen Handwerker überlassen!
    »Bestimmt bekommt Ihr hier das Geld, das Ihr braucht«, wiederholte sie und nahm die Hand ihrer neuen Beschützerin.
    »Ich hoffe sehr, du hast recht. Mich bedrückt nämlich schon seit Tagen eine neue Sorge.«
    »Oh, welche denn?«
    »Ich befürchte, die Zunftmitglieder, die mein Meisterstück begutachten sollen, werden sich nicht mehr für meine Jungfrau mit dem Einhorn interessieren. Es heißt, in Brüssel auf den Hochwebstühlen werden riesengroße Tapisserien angefertigt, und zwar nach Kartons von italienischen Malern, die aus der Schule Raffaels stammen, der von Tag zu Tag berühmter wird.«
    »Er malt wirklich sehr schön«, sagte Angela. »Meine Mutter hat mir viel von ihm erzählt.«
    »Woher hat sie ihn denn gekannt?«
    »Sie stammt aus dem gleichen Ort wie er, aus Urbino. Als junge Leute sind sie sich mehrmals begegnet. Er hat sogar ein Porträt von ihr gezeichnet.«
    Angelas Gesicht war auf einmal wie versteinert. Die Erinnerungen brachen unvermittelt über sie herein. Wie ein wilder, ungebändigter Herbststurm fegten sie die toten Blätter vor sich her, die beim kleinsten Lüftchen aufwirbelten.
    Angela sah das schöne Gesicht ihrer Mutter vor sich, ein vollkommenes Oval mit makellosen Zügen. Ihr Teint war lilienweiß, beinahe schimmerte ihre zarte Haut milchig, und ihre blauen Augen strahlten mit ihrem Lächeln um die Wette. Dabei verbarg sich hinter ihnen so viel Kummer!
    Angela sah ihrer Mutter sehr ähnlich. Sie hatte die gleichen hellblauen Augen, die gleiche hohe, leicht gewölbte und beinahe
geheimnisvolle Stirn und die gleiche zierliche gerade Nase, die bei jedem Sommerduft bebte. Und dass sie immer ihre Hände verschränkte, wenn sie sich ausruhen durfte, hatte sie bestimmt auch von ihrer Mutter.
    Warum nur musste diese schreckliche Pest alles zerstören? Bis dahin hatten sie immerhin glücklich zusammen gelebt, auch wenn dieser furchtbare Mann ihre Mutter bedroht hatte, sobald sie sich weigern wollte, sein Zimmer zu betreten, um dort zu etwas gezwungen zu werden, das Angela nur erahnte und worüber ihre Mutter nie gesprochen hatte. Wenn sie dann traurig und erschöpft wieder herauskam, flüsterte sie ihrer Tochter zu, dass man nun einmal irgendwie seinen Lebensunterhalt verdienen musste und dass sie es diesen schrecklichen Abenden verdankten, genug zum Leben zu haben.
    Jeden Tag dankte Angela dem Himmel für Alix und konnte sie gar nicht genug rühmen.
    Mit einem Seufzer verjagte sie die letzten düsteren Erinnerungen und sagte wieder vergnügt:
    »Falls wir einmal nach Italien kommen, treffen wir Raffael ja vielleicht!«
    Dann ließen sie sich weiter von der Kutsche durchschütteln, die über die holprigen Wege rumpelte. Leo fuhr manchmal sehr schnell, vor allem wenn das Ziel nicht mehr weit und er glücklich war, wenn er wieder einmal alle Rekorde gebrochen hatte.
     
    Das Wirtshaus war überfüllt, und obwohl Alix dem Wirt einen guten Preis geboten hatte, weil sie ein ruhiges Zimmer für sich allein haben wollte, musste sie sich dann doch eine kleine Kammer mit Angela teilen. Es gab nur Strohsäcke, die zwar sauber und einigermaßen weich waren, auf denen man aber nun einmal nicht so gut schlief wie in einem Bett.

    Die Nacht wurde dann auch ziemlich unruhig, weil ständig neue Gäste eintrafen, deren schwere Schritte auf den Treppen zu hören waren. Manche kümmerten sich überhaupt nicht um die Leute, die schlafen wollten, und redeten laut miteinander, lachten, stritten oder husteten lautstark.
    Früh am Morgen erwartete Leo die beiden Frauen im Hof, die Zügel in der Hand. Alix und Angela waren nicht sehr ausgeschlafen und rieben sich die Augen. Und wenn schon! Bei dem Trubel, der sie in der Stadt erwartete, wachten sie bestimmt bald auf und konnten sich voller Tatendrang ihren Aufgaben stellen.
    Schnell

Weitere Kostenlose Bücher