Die seidene Madonna - Roman
samtigen Augen und ihrem reizenden Lächeln sein konnten.
Nach der Mailänder Eskapade war Isabelle de La Baume zur vernünftigen Frau de La Trémoille geworden, und der größte Herzensbrecher von damals, genannt Ludovico Sforza, war jetzt Gefangener des Königs von Frankreich. Das Kind, das diese Liebe hervorgebracht hatte, hieß Constance, und Alix hatte das Mädchen - zusammen mit Jean de Villiers - vor langer Zeit einmal unterwegs kennengelernt, als sie auf der Suche nach ihrem geliebten Jacquou war.
Sire Van de Veere beugte sich ein wenig über sie, und Alix dachte, er würde ihr gleich mit der Hand übers Gesicht streichen. Sie machte einen Schritt zurück und sah ihn unverwandt an.
»Wollt Ihr nicht Eure Haube abnehmen, die in dem Gedränge auf den Straßen ganz verrutscht ist? Das wäre bestimmt bequemer.«
Alix griff nach der schwarzen Samthaube mit der silbern paspelierten Borte, unter der sich ihre ganze Haarpracht verbarg, nahm sie mit einem Ruck ab und befreite ihr langes goldbraunes Haar, das ihr nun in glänzenden Wogen über die Schultern fiel.
Während Van de Veere schweigend die Schönheit der jungen Frau bewunderte, kam der Diener herein.
»Bring uns etwas kühlen Zimtwein, Pieter.«
Dann deutete er auf einen bequemen Lehnsessel, der mit Florentiner Samt bezogen war. Er nahm Alix am Arm, führte sie zu dem Sessel, nahm selbst auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz und sah ihr lächelnd zu, wie sie ihre Lippen mit dem kühlen Getränk benetzte.
»Schmeckt es Euch?«
»Bei uns in Frankreich heißt das Getränk Gewürzwein. Wir geben noch einige Nelken, frischen Ingwer, Muskat und Orangenschale dazu.«
»Hoffentlich ist Euch unser Wein dann nicht zu fad!«, lachte Van de Veere. »Wir würzen ihn nicht so stark. Wollt Ihr vielleicht lieber etwas anderes trinken?«
»Ja, ich hätte gern ein Bier«, gab Alix unumwunden zu, weil sie dem Charme dieses Mannes bereits erlegen war. »Das flämische Bier schmeckt mir sehr gut.«
»Weil es mit Lorbeer, Salbei und Enzian verfeinert wird, nehme ich an.«
Er läutete wieder nach dem Diener, der wohl hinter der Tür warten musste, so schnell wie er zur Stelle war.
Der Bankier war überrascht, wie unbefangen und mutig sich
Alix benahm. Ihre Anmut und ihre natürliche Schönheit beeindruckten ihn zutiefst, doch er ließ sich nichts anmerken.
Der Diener brachte Bier und servierte es in einem Kristallkrug - blond, schaumig und mit dem typisch bitteren, aber aromatischen Geschmack, den Alix gut kannte. Trotzdem nahm sie nur einen kleinen Schluck, weil sie einen klaren Kopf für das Gespräch behalten wollte, bei dem ihr kein Fehler unterlaufen durfte.
Wieder sah er zu, wie sie ihren Mund in die schaumige Flüssigkeit tauchte, und wartete gespannt auf ihre Meinung.
»Dieses Bier schmeckt mir sehr gut«, sagte sie und erwiderte seinen Blick, »aber findet Ihr nicht auch, dass wir jetzt über das Anliegen sprechen sollten, das mich zu Euch führt, Sire Van de Veere?«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Darf ich Euch zunächst darauf aufmerksam machen, dass Ihr mir von einem guten Freund empfohlen worden seid, von Monseigneur Jean de Villiers?«
»Ja, ich weiß. Er ließ es mir über einen Freund aus Rom ausrichten, der sich gerade in Brügge aufhält.«
Alix seufzte erleichtert. Diese Unterredung ließ sich sehr vielversprechend an. Bestimmt hätte Van de Veere sie nicht so herzlich empfangen, wenn er nicht bereits über Dritte von ihr gehört hätte. Dennoch musste sie auf der Hut sein. Jetzt hieß es erst einmal, das wahre Gesicht des Bankiers zu erkennen.
Er erhob sich und bat Alix, sich zu ihm an seinen Schreibtisch zu setzen.
Als er seine schmalen braunen Hände auf den Tisch legte, denen man ansah, dass er nicht mit ihnen arbeiten musste, entdeckte Alix an jedem seiner Finger außer am Daumen und am kleinen Finger einen Ring mit einem kostbaren Cabochon.
Seine langen hermelingesäumten Ärmel fegten bei jeder seiner Bewegungen über den Tisch.
»Wollt Ihr Gold oder Florins?«, kam er nun direkt zur Sache.
»Weder noch.«
»Aha, also Wechsel! Sehr vernünftig. Heutzutage empfiehlt sich diese Art von Darlehen. Habt Ihr denn Vertrauen in Euren Makler vor Ort?«
Alix zögerte. Sollte sie zugeben, dass sie gar keinen hatte?
»Volles Vertrauen«, antwortete sie und hielt seinem Blick stand.
»Sehr gut! Dann sollten wir jetzt feststellen, wie viel Ihr braucht. Um welchen Betrag geht es denn?«
Alix wollte die angenehme Stimmung ausnützen und nicht hinter
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