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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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davon überzeugt hatten, dass man ihren Befehl befolgte, stiegen sie wieder auf und verschwanden dorthin, woher sie gekommen waren.
    »Schnell, Leo!«, rief Alix dem Kutscher zu. »Jetzt darfst du
beweisen, was du kannst. Wir nehmen Jason und versuchen es durch die kleinen Gassen ein wenig abseits von dem Fest«, erklärte sie. »Du musst dich selbst übertreffen, Leo!«
    Dann öffnete sie ihre Börse, nahm ein paar Münzen heraus und gab sie Angela.
    »Falls du Ärger bekommen solltest. Da ist ein bisschen Kleingeld oft sehr hilfreich. Du musst nämlich in der Kutsche warten, bis Leo zurückkommt. Sobald ich bei Sire Van de Veere bin, überlässt mir Leo Jason, damit ich später zu unserem Gasthaus zurückreiten kann. Er läuft zu Fuß zu dir zurück, und dann fahrt ihr auf dem Weg, den uns die Hellebardiere beschrieben haben, zu unserer Herberge.«
    Angela nickte, obwohl es ihr unangenehm war, allein in der Kutsche am Straßenrand zu warten. Aber was blieb ihr anderes übrig? Sie sah den beiden nach und hatte das seltsame Gefühl, dass irgendetwas passieren würde. Als sie das Pferd kaum noch erkennen konnte, auf dem Alix mit Leo davongeritten war, verkroch sie sich in der Kutsche und beschloss ein wenig zu dösen, weil sie doch nichts anderes tun konnte.
     
    In allen Straßen rund um die Kathedrale wurde der Festzug angekündigt. Leo hatte sich ohne Schwierigkeiten durch die engsten Gassen geschlängelt und war auch nicht vor düster wirkenden Abkürzungen zurückgeschreckt. Aber in diesen dunklen Ecken roch es übel, es war schmutzig und gefährlich und man musste beim kleinsten Geräusch die Ohren spitzen und auf der Hut sein, sobald vor oder hinter einem ein Schatten auftauchte.
    Arme und Kranke waren in Brügges Unterwelt versammelt - Bucklige und Blinde, Lahme und Bettler teilten sich die magere Beute. Manche bettelten nur um ein Stück Brot, eine Scheibe Speck oder einen Schluck Bier, andere verlangten einen Sou. Die
Verwegensten unter ihnen forderten einen Florin, warum auch nicht, sie hatten nichts zu verlieren.
    Die Gassen wurden schließlich so eng, dass man mit einem Pferd kaum noch durchkam und das Tageslicht nur noch schwach durchschimmerte. Leo dachte schon, er müsse umkehren, gab aber nicht so schnell auf, stieg ab und kam dann doch noch vorwärts, indem er Jason an den Zügeln führte.
    Niedrige verfallene und brüchige Häuser säumten die trostlosen steinernen Durchgänge. Jason watete durch schmutzigschwarze, ekelerregende Pfützen, und wenn er einmal ausrutschte, fingen ihn die nahen Hauswände auf, die er mit seinen Flanken streifte.
    Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts ein kleiner Kerl vor ihnen auf; sein runder Kopf hockte auf einem verbogenen Körper, den zwei magere Beinchen tragen mussten. Er trug unförmige Lumpen, Kopf und Stirn waren unter einem speckigen schwarzen Hut versteckt, der ihm bis über die Augen ging, und er lärmte mit einer Lepraratsche.
    »Regt Euch nicht auf«, flüsterte Leo, »das ist oft nur ein Bettlertrick. Wenn er wirklich Lepra hätte, wäre er von den anderen längst vertrieben worden. Die Leprakranken sind alle in den Steinbrüchen draußen vor der Stadt eingesperrt.«
    Der Mann war bestimmt ein Betrüger. Diese Leute versteckten sich in den finstersten Ecken und dachten sich mit Helfershelfern üble Geschichten aus. Meistens musste der Bettler mit der Ratsche den unvorsichtigen Passanten erschrecken, der dann, um den Leprakranken nicht berühren zu müssen, den Rückzug antrat und einige Meter weiter am anderen Ende der Gasse von einer Bande finsterer Gesellen erwartet wurde.
    »Darauf fallen wir nicht rein«, sagte Leo zu Alix, die noch immer auf Jason saß. »Wenn wir umkehren, kriegen wir es mit zehn anderen von seiner Sorte zu tun.«

    »Gebt mir einen Sou aus Eurer gut gefüllten Börse, gute Frau«, sagte der Zwerg und kam näher.
    »Wer sagt dir denn, dass ich eine Börse habe?«, antwortete sie.
    »Euer Gürtel sieht ziemlich schwer aus.«
    Alix fuhr erschrocken zusammen und versuchte sich ihre Furcht nicht anmerken zu lassen. Dieser buckelige bettelnde Zwerg jagte ihr große Angst ein.
    »Vielleicht ist es ja eine Waffe?«
    »Dann könnte ich die Spitze funkeln sehen und würde mich davonmachen.«
    »Du hast schon recht, es ist meine Börse. Aber wer sagt dir denn, dass sie gut gefüllt ist?«
    »Das kann man sich doch denken, so wie Ihr ausschaut.«
    Leo sagte nichts, tastete aber nach dem Messer an seinem Gürtel und nahm es in die Hand. Seit er

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