Die seidene Madonna - Roman
bin, die Eure geilen Gelüste befriedigen müssen.«
Er lachte wieder, ließ sie aber los.
»Was redet Ihr denn da! Kein Maler ist geil, meine Hübsche. Wir sind nur verliebt in die Schönheit, die wir auf die Leinwand bannen müssen, damit die Verehrer der Kunst zufrieden sind.«
»Das mag schon sein. Trotzdem solltet Ihr wissen, dass ich diese Stunde, die Euch so gefallen zu haben scheint, in sehr schlechter Erinnerung habe. Nur die Vorstellung, ich würde sonst wie eine gemeine Diebin öffentlich gehängt und würde meinen Jacquou nie wiedersehen, hat mich dazu getrieben. Ich musste Euch gefügig sein, um meine Freiheit zurückzubekommen. Ihr habt mich erpresst!«
Wieder wollte er sie festhalten, aber diesmal riss sie sich los und verpasste ihm eine Ohrfeige.
»Meinetwegen könnt Ihr mich ruhig weiter verleumden, wenn Ihr mir das noch immer so übel nehmt.«
Sie sprang auf ihr Pferd und sah ihn wütend an, überlegte sich dann aber, dass sie wohl zu weit gegangen war. Sie vergaß Dürers Unverschämtheit und sagte laut und deutlich:
»Also gut, ich will es Euch nicht länger verübeln, Meister Dürer, und ich entschuldige mich auch für die Ohrfeige. Falls sich unsere Wege aber noch einmal kreuzen, solltet Ihr Euch anders benehmen. Ich bin nicht mehr so verwundbar wie früher.«
Sie ließ Jason ein paar Schritte gehen und fragte dann:
»Nehmt Ihr es mir noch immer übel?«
»Ich werde Euren Rat befolgen! Beim nächsten Mal benehme ich mich anders. Ich werde es nicht vergessen, da könnt Ihr sicher sein.«
Und noch ehe sie durch den breiten Torweg verschwunden war, betrat er das Haus seines Freundes, der ihn bereits unten an der Treppe erwartete.
»Was ist los, mein Freund? Ich habe gesehen, dass du einen
heftigen Streit mit meiner Kundin hattest. Kennst du sie denn, Albrecht?«
»Ja, sie ist eine gute alte Bekannte«, sagte der Maler lachend. »Ehrlich gesagt, habe ich sie seit acht Jahren nicht mehr gesehen.«
»Aber was war denn los?«, fragte Alessandro noch einmal, der offensichtlich mehr erfahren wollte. »Mir scheint, sie hat dir ganz schön zugesetzt!«
»Hast du uns etwa beobachtet?«
»Ja. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil ich den Stallknecht nicht gesehen habe.«
Seite an Seite gingen der Bankier und der Maler die Treppe hinauf ins obere Stockwerk.
»Wusstest du, dass die Frau Witwe ist?«
»Nein, verdammt! Wenn ich das gewusst hätte!«
»Was wäre dann gewesen?«, fragte sein Freund, auf dessen Stirn sich eine ärgerliche Falte zeigte. »Bist du etwa schon einmal in ihrer Gunst gestanden?«
»Ja, aber das ist lange her.«
Alessandro Van de Veere konnte seine Betroffenheit nicht verhehlen.
»Diese Frau ist vierundzwanzig. Dann war sie also damals sechzehn. Das ist sehr jung. Was ist damals geschehen? War sie dein Modell?«
»Nein, das ist eine andere Geschichte.« Auf einmal wurde ihm bewusst, dass ihn sein Freund so merkwürdig ausfragte, und er sagte: »Warum horchst du mich so aus?«
»Nur so. Ich bin immer froh, wenn ich möglichst viel über meine Kunden erfahre.«
Aber das seltsame Leuchten in den schwarzen Augen seines Freundes strafte seine Worte Lügen.
»Acht Jahre lang wusste ich nicht, was aus dieser Frau geworden ist, und dann steht sie plötzlich vor mir, hier in deinem Haus.«
»Aber was war damals?«, Van de Veere blieb hartnäckig.
»Ihr Schwiegervater, Pierre de Coëtivy …«
»Der alte Maître Pierre de Coëtivy ist also ihr Schwiegervater!«
»Ja, und ich weiß nicht, was er gegen sie hatte, jedenfalls war er strikt gegen diese Heirat gewesen. Er hegte einen unbeschreiblichen Hass gegen sie. Eines Tages schob er ihr einen Diebstahl in die Schuhe, den sie nicht begangen hatte. Und wie es der Zufall wollte, fand man die gestohlenen Bilder ausgerechnet in ihrem Gepäck.«
Die Falte auf Alessandros Stirn wurde immer tiefer.
»Und was hast du dann gemacht?«, fragte er.
»Ich muss das wissen, Albrecht!«, beharrte er, als der Maler mit seiner Antwort zögerte.
»Warum denn?«, fragte Dürer zurück. »Interessierst du dich für sie?«
»Mag sein. Jedenfalls will ich wissen, was du dann gemacht hast.«
»Coëtivy hat sie verhaften und in Lille ins Gefängnis werfen lassen.«
»Und dir und deinem Charme ist es gelungen, sie da wieder rauszuholen?«
»Genau so war’s. Sie wollte einfach nur ihren Mann wiedersehen, was Coëtivy zu verhindern suchte.«
»Welche Strafe hätte sie denn erwartet, wenn du sie nicht befreit hättest?«
»Ganz allein,
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