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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ohne Freund und Fürsprecher, hätte man sie vermutlich gehängt.«

22
    »Warum setzt Ihr denn wieder Eure Haube auf, Dame Alix? Eure Haare sehen so schön aus, wenn Ihr sie offen tragt.«
    »Ich bin schließlich kein junges Mädchen mehr«, protestierte Alix.
    »Na und, das macht doch nichts!«
    »Ich bin Witwe, Angela, und das will ich auch bleiben.«
    »Deshalb könnt Ihr euch doch schön machen. Ihr seid noch so jung! Darf ich Euch einmal nach Art der Florentinerinnen frisieren?«
    Alix seufzte und gab sich geschlagen.
    »Also gut, Angela. Aber ich möchte auf keinen Fall lächerlich aussehen.«
    In dem großen Spiegel beobachtete sie, wie sich Angela hinter ihr zu schaffen machte. Geschwind flocht sie mehrere kurze und ganz dünne Zöpfe, die sie oben auf dem Kopf feststeckte. Dann flocht sie zwei weitere Zöpfe, die das Gesicht von Alix rechts und links umrahmten; ein Teil ihrer Haare durfte ihr offen auf die Brust fallen. Schließlich machte sie noch zwei Zöpfe, die ihr Haar auf dem Rücken mit einem Knoten zusammenhielten.
    »Wie gefällt Euch das, Dame Alix? Jetzt seht Ihr wie eine richtige Florentiner Madonna aus. Sire Van de Veere kann Euch so bestimmt nicht widerstehen. Ich sehe schon, wie er Euch bewundert und Eure Wechsel mit einem Lächeln auf den Lippen unterschreibt.«

    »Hoffentlich hast du recht!«, seufzte Alix. »Ich brauche das Geld unbedingt. Ohne die Unterstützung dieses Bankiers bin ich verloren.«
    »Er hilft Euch ganz bestimmt.«
    Angela überlegte kurz, wirbelte um ihre Herrin herum und rief:
    »Sein Kutscher holt Euch doch ab, Ihr müsst also keinen Schritt gehen. Ich finde, Ihr solltet Euer schönstes Kleid anziehen.«
    »Mein rosenrotes Kleid!«
    »Ja, Dame Alix, das rosenrote. Die Farbe gefällt mir so gut, weil sie mich an die illuminierten Bilder aus dem vergangenen Jahrhundert erinnert.«
    »Da hast du recht. Ich habe lange gebraucht, bis ich diese Farbe für die Gewänder meiner Damen mit den Einhörnern richtig wiedergeben konnte. Dieses Rosenrot ist unvergleichlich kräftig und rein, mit einem winzig kleinen Schimmer von Veilchenblau, und es bringt mir bestimmt Glück. Bring mir also bitte dieses Kleid.«
    Es war wirklich wunderschön, und die feinen Falten fegten anmutig über den Boden. Nur die zierlichen weißen Handgelenke waren in den weiten Ärmeln zu sehen, die Alix bis zur Taille reichten.
    »Wenn Ihr jetzt noch Euer blaues Mäntelchen mit dem Zobelkragen anzieht, seid Ihr eine echte Prinzessin, Dame Alix.«
    Beide waren so in die Vorbereitungen für diesen besonderen Abend vertieft, dass sie beinahe das Klopfen überhört hätten.
    »Der Kutscher von Sire Van de Veere steht bereit, Dame Cassex.«
    »Sagt ihm, ich komme gleich.«
    Als Alix endlich fertig und ganz überrascht von ihrem Anblick
war, nahm sie Angela in den Arm und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Wange. Dann sagte sie ein bisschen besorgt:
    »Ich möchte nicht, dass du allein ausgehst, du bist noch zu jung, Angela. Wenn du einen Spaziergang durch die Stadt machen willst, soll dich Leo begleiten.«
    »Bitte, macht Euch nur keine Sorgen, Dame Alix.«
    Der Wagen wartete vor dem Haus, und Alix kletterte flink hinein. Es war eine prächtige Kutsche mit dem Wappen des Bankiers. Vier schwarze Pferde waren angespannt, und als Leo zusah, wie sie aus dem Hof des Gasthauses fuhren, dachte er nur, er würde sich auch nicht ungeschickter anstellen, wenn man ihm vier Pferde zu lenken gäbe.
    Bald hatte die Kutsche ohne größere Schwierigkeiten das Haus von Sire Van de Veere erreicht - die Feierlichkeiten vom Vorabend gingen nämlich langsam zu Ende. Jetzt wurde hauptsächlich in den reichen Privathäusern gefeiert, bei den Notabeln, den Offizieren, den Schöffen und den Bischöfen - in vielen Häusern funkelten hinter den Fenstern bunte Lichter.
     
    Alessandro hatte es sich nicht nehmen lassen, Alix persönlich zu empfangen, die diese ungewöhnlich herzliche Geste sehr zuversichtlich stimmte.
    An diesem Abend trug er nicht die große schwarze Robe mit dem Hermelinkragen, in der er sehr reif und erfahren gewirkt hatte, sondern ein schwarzgoldenes Satinwams und dazu rote Kniehosen und Strümpfe. In diesem Aufzug sah er erstaunlich jung aus. Alix fragte sich, wie alt er wohl sein mochte und schätzte ihn auf vierzig oder höchstens fünfundvierzig.
    Während sie auf ihn zuging, kam es ihr in den Sinn, seinen Willkommensgruß auf Italienisch zu erwidern. Er schien überrascht und musterte sie ausgiebig, so als

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