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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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des Waldes von Sologne ab, wohin diejenigen kamen, die lieber verhungerten, als der Pest zum Opfer zu fallen.
    Als Jacquou die Werkstatt, wo Alix und Florine arbeiteten, mit bedrückter Miene betrat, weil er sich solche Sorgen um seine Frau, die werdende Mutter machte, spürte er, dass irgendetwas in der Luft lag, konnte sich aber nicht erklären, was es sein konnte,
wenn nicht die allgegenwärtige Angst vor dem Tod, die die Menschen umtrieb.
    »Wie geht es meiner Frau heute Morgen?«, fragte er sichtlich beunruhigt, trat hinter Alix und küsste sie sanft auf den Nacken.
    »Gut, Jacquou!«, antwortete sie, drehte sich zu ihm um und nahm seine Hand, mit der er ihr Gesicht streicheln wollte. »Sei unbesorgt, ich fühle mich wirklich wohl. Anders als Juan, der mich in seine Ängste eingeweiht hat. Seit die Bertille gegangen ist, will Lisette nicht mehr beim alten Gauthier bleiben. Deshalb will er mit ihr aus der Stadt fliehen.«
    »Das ist völlig verrückt! Man wird sie festnehmen und einsperren.«
    »Ich weiß«, gab Alix zurück. »Was glaubst du, was ich ihm gesagt habe?«
    »So ein Wahnsinn! Sie wollen vor der Pest weglaufen und werden stattdessen mit Pestkranken eingesperrt.«
    Niedergeschlagen und mutlos schüttelte Jacquou den Kopf.
    »Selbst wenn es ihnen doch irgendwie gelingen sollte zu fliehen, was sollen sie dann tun, wohin sollen sie gehen? Zum Teufel noch mal! Bertille ist schon so gut wie verloren, wollen sie dasselbe Schicksal erleiden?«
    »Eine winzige Chance haben sie vielleicht. Lisette hat eine Tante, die sehr einsam und zurückgezogen im Wald von Blois lebt. Wenn sie ihr Haus finden und sie sich bereit erklären würde, ihnen die Tür zu öffnen, könnten sie der Pest womöglich entkommen.«
    »Hat Bertille denn gar keine Chance?«, fragte Florine am ganzen Körper zitternd.
    »Leider so gut wie keine - wie all die anderen auch, die aus der Stadt flüchten und hilflos im Wald herumirren, den sicheren Hungertod vor Augen.«

    Traurig blickte Florine den kleinen Nicolas an.
    »Die Pest!«, seufzte sie verzweifelt. »Wer weiß, bis wohin sie kommt und wen sie alles mitnimmt?«
    Florine wurde von Tag zu Tag blasser. Sie aß kaum etwas und zitterte stark. Und der kleine Nicolas in seiner Wiege weinte, weil ihn Florine seit einigen Tagen nicht mehr stillte.
    Und dann geschah plötzlich, was Jacquou die ganze Zeit befürchtet hatte. Von der Straße her hörte man Schreie, und Mathias und Pierrot kamen aus der anderen Werkstatt gelaufen.
    Das Geschrei wurde immer lauter. Jacquou stürzte zur Tür, wagte sie aber nicht zu öffnen und schob stattdessen ganz vorsichtig den Vorhang vor dem Fenster zur Seite.
    Draußen zogen vier große, starke Soldaten in langen Mänteln und mit Tüchern vor dem Mund einen sich heftig wehrenden Mann hinter sich her.
    »Die Lage spitzt sich immer mehr zu«, flüsterte Mathias. »So etwas erleben wir jetzt bestimmt jeden Tag. Das wird ein Reisender sein, der nicht mehr umkehren konnte.«
    »Wahrscheinlich hat er geglaubt, er könne sich noch im Bureau de Santé einschreiben und ein Attest bekommen, das ihm die Weiterreise erlaubte«, meinte Jacquou.
    Florine wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn.
    »Ich fürchte, der Mann kann nichts mehr ausrichten«, sagte Jacquou. »Die Soldaten werden ihn irgendwo einsperren.«
    »Aber wenn er nicht angesteckt ist, könnten sie ihn doch gehen lassen.«
    »Dafür ist es vermutlich bereits zu spät.«
    Die Soldaten sagten nichts. Einer von ihnen, der den Mann am Arm gepackt hielt, schob das Tuch zurück, das ihm von Mund und Nase gerutscht war. Dabei ließ er den Mann kurz los, der sich losreißen konnte.

    Verrückt vor Angst stürzte er auf die Tür der Werkstatt zu und hämmerte dagegen.
    »Macht doch auf, ich flehe Euch an, macht mir auf! Sie bringen mich zu den Pestkranken, aber ich will nicht sterben!«
    »Nein!«, schrie da Florine. »Macht ihm nicht auf! Vielleicht hat er sich schon angesteckt!«
    »Vielleicht aber auch nicht«, gab Julio zu bedenken, der aus der anderen Werkstatt gelaufen kam.
    »Macht mir doch die Tür auf! Ich bin vollkommen gesund!«, rief der Mann mit panischer Stimme. »Erbarmen! Lasst mich nicht sterben!«
    Draußen wurden Fensterläden zugeschlagen. Die Leute in den Nachbarhäusern sperrten sich ein und verbarrikadierten sich vor lauter Angst. In der Werkstatt wusste man nicht, ob es den Soldaten gelungen war, den Mann wieder in ihre Gewalt zu bringen, aber schon bald hörte man nur noch einen Karren

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