Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
eingefallen und verzweifelt.
    »Wir müssen sie isolieren, Mathias. Wenn sie die Pest hat, könnten wir uns sonst alle anstecken.«
    »Aber das geht doch nicht«, jammerte der arme Mathias, und die Tränen schossen ihm in die Augen. »Ich will sie nicht allein lassen. Sie braucht mich doch!«
    »Wir dürfen das Leben von Nicolas nicht aufs Spiel setzen«, widersprach ihm Alix, die nicht weniger weinte als ihre Freunde.

    »Weder dein Leben noch das eures Kindes«, sagte Jacquou in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Wir müssen etwas unternehmen, Mathias. Deshalb bringen wir Nicolas jetzt in die andere Werkstatt, und da ist er mit Alix, Pierrot und Julio zusammen.«
    »Und was ist mit dir?«, rief Alix voller Angst.
    »Ich bleibe erstmal mit Mathias hier.«
    Alix war die Kehle vor Angst wie zugeschnürt. Ihre Hände zitterten, und sie musste sich setzen, weil ihr plötzlich schwindlig wurde. Mit leerem Blick starrte sie den Hochwebstuhl an, auf den ein Teil des Ensembles gespannt war, an dem sie für die Comtesse d’Angoulême webten. Sie hatten die Arbeit einstellen müssen, weil sie keine Seidenfäden und keine feinen Wollfäden mehr hatten.
    Aber was bedeutete das schon im Vergleich zu dem Drama, das sich jetzt bei ihnen abspielte? Florine würde an der Pest sterben. Und wer war nach ihr an der Reihe? Man wusste, dass die Plage, wenn sie erst einmal in ein Haus gelangt war, so lange wütete, bis sie sich alle geholt hatte, die sie haben wollte.
    Ganz schwach atmete sie ein, um dann mühsam und unter Schmerzen auszuatmen.
    »Florine braucht jemand, der sie pflegt«, versuchte sie zu protestieren.
    Aber Jacquou schüttelte nur traurig den Kopf. Er nahm seine Frau am Arm und zog sie ans andere Ende des Raumes.
    »Was meinst du mit pflegen? Siehst du nicht, dass sie sterben muss? Sie braucht jetzt nur noch liebevolle Blicke, Worte und Gesten, und die kann ihr nur Mathias geben.«
    Er kam ihr so nahe, dass sich ihre Gesichter berührten, und sagte beinahe unhörbar:
    »Du weißt doch, dass die Pest sehr schnell zuschlägt, Alix. Florine wird schon morgen tot sein.«

    Beide sahen sie wieder an. Florine stöhnte mit geöffneten Augen vor Schmerz. Der Schweiß lief ihr übers Gesicht und den Hals hinunter. Lang ausgestreckt lag sie reglos da, mit krankhaft vergrößerten Augen, die Hände verkrampft, fast schon wie eine Tote auf dem provisorischen Bett aus einer leichten Liege ohne Beine.
    Unweigerlich mussten sie mit ansehen, wie ihr Gesicht zusehends anschwoll und die Geschwulst langsam Richtung Hals wanderte.
    Alix ging zu ihr und sagte ängstlich:
    »Wir müssen sichergehen, ob sie wirklich zum Tode verurteilt ist.«
    Mathias schob ihr Kleid hoch, öffnete entsetzt den Mund, unterdrückte aber ein Schluchzen und schob den Stoff noch weiter hoch. Florines Beine waren der sichtbare Beweis dafür, dass die Pest sie im Griff hatte und dabei war, sie zu zerstören. Geschwollen und aufgedunsen wie ihr Gesicht und ihr Hals erinnerten sie in nichts mehr an die schlanken, schönen Beine, die sie einmal gehabt hatte, und auf ihrer linken Leiste war ein großes, unregelmäßiges schwarzes Mal in Form einer Schlange zu sehen.
    »Diese verdammte Pest!«, fluchte Jacquou. »Auch meine Mutter musste unter ähnlich trostlosen Umständen sterben.«
    Er starrte Florines zerrütteten Körper an, aber sein Blick ging ins Leere. Ja, Jacquou dachte an seine Mutter, die bei seiner Geburt gestorben war, als überall um sie her die Pest wütete.
    »Jetzt sitzen wir hier in der Werkstatt fest.«
    »Das war auch vorher schon so«, sagte Alix leise. »Aber nun müssen wir uns überlegen, wie wir mit dieser neuen Situation zurechtkommen sollen.«
    »Ich bitte dich, Alix, da gibt es nichts zu überlegen! Du gehst
jetzt und sperrst dich in der Werkstatt nebenan ein. Los, mach schon! Ich komme bald nach.«
    Alix warf einen letzten Blick auf Florine, die unverständliche Worte vor sich hin murmelte. Ihre Augen brannten und füllten sich mit Tränen, die ihr über die eingefallenen Wangen liefen.
    »Ich kann sie nicht liegen lassen und gehen.«
    »Du musst, Alix, du musst! Denk an unser Kind!«
    Sie ging zu Mathias, der sie in die Arme nahm.
    »Kannst du mir verzeihen, wenn ich dich jetzt hier zurücklasse? Dass ich nichts für sie tun kann, Mathias?«
    Mathias musste laut schluchzen, und er vergrub sein Gesicht an der Schulter von Alix.
    »Geh nur und kümmre dich bitte um Nicolas. Lass mir Florine. Ich bin ihr Mann, also muss ich ihr

Weitere Kostenlose Bücher