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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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grauenhaft! Die Leute sagen, dass keiner mehr einen Fremden ins Haus lässt, weil man keinem mehr über den Weg traut - jeder verdächtigt jeden. Was soll ich denn nur mit Guillemin machen?«
    »Du musst mit deinem kleinen Sohn zuhause bleiben«, versuchte sie Alix zu beruhigen. »Eine andere Lösung sehe ich nicht. Und wenn Florine Angst um Nicolas hat, soll sie das auch machen.«
    »Nein! Nein«, widersprach ihr Florine sofort. »Ich möchte lieber mit dem Kleinen bei euch bleiben. Hier fühle ich mich sicherer.«
    »Im Augenblick reicht es, wenn die Männer hier sind«, ließ sich Alix nicht beirren. »Wir müssen weniger arbeiten, weil wir den Bestand an Grundmaterialien nicht aufstocken können, und falls demnächst der gesamte Handel zusammenbricht, müssen vermutlich auch wir schließen.«
    »Glaub’ mir doch, Alix«, flehte Florine, »ich möchte wirklich lieber hier bei dir bleiben. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn die Soldaten kommen und unsere Haustüre zunageln, damit wir nicht mehr hinauskönnen.«
    »Die Soldaten werden keine Türen zunageln.«
    »Das behaupten aber manche, eine alte Frau hat es mir auch gesagt. Wenn die Stadtbewohner ihre Häuser nicht mehr verlassen dürfen, bin ich jedenfalls völlig hilflos. Ich habe nicht Arnaudes Geschick im Organisieren und auch kaum Vorräte angelegt,
ich könnte vielleicht eine Woche oder allerhöchstens zehn Tage aushalten.«
    Alix nickte beruhigend. Sie wusste, dass Florine zu den Menschen gehörte, die von einem Tag auf den anderen lebten, ohne sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Und Mathias war viel zu sehr mit seiner Arbeit in der Werkstatt beschäftigt, um ihr ins Gewissen zu reden; er war zufrieden, wenn er jeden Abend satt wurde.
    »Also gut, dann bleibst du eben mit Mathias und Nicolas hier. Wir legen ausreichend Vorräte an, dass wir zur Not auch einige Wochen durchhalten können.«
    »Ach, Alix!«, rief Arnaude und nahm sie in den Arm, »bist du uns böse, wenn wir gehen?«
    »Natürlich nicht! Ihr kommt zurück, wenn alles vorbei ist.«
    »Aber was ist mit dir? In deinem Zustand!«
    »Florine leistet mir Gesellschaft; sie will ja hierbleiben. Geht nur, ihr drei, und macht euch keine Sorgen. Hier gibt es sowieso bald nichts mehr zu tun.«
    Sie machte eine hilflose Geste und lächelte traurig.
    »Aber was wollt ihr denn dann machen?«
    »Erst einmal richten wir uns hier in den beiden Werkstätten ein und machen uns das Leben so angenehm wie möglich.«
    Bald nachdem Arnold, seine Frau und der kleine Guillemin sich verabschiedet hatten und nach Hause gegangen waren, schloss ein Wirtshaus nach dem anderen, und es gab nirgends mehr Lebensmittel. Wer diese Entwicklung nicht vorhergesehen hatte, musste unweigerlich Hungers sterben, wenn ihn nicht die Pest dahinraffte.
    Alix und Jacquou hatten deshalb rechtzeitig große Mengen an Pökelfleisch, geräuchertem Schinken, Brot und Trockenfrüchten besorgt, und sie hatten für lange Zeit genug zu essen für sich,
Florine, Nicolas und Mathias und außerdem Julio und Pierrot, die sich ebenfalls geweigert hatten zu gehen.
    Jeden Morgen quälte Alix die Übelkeit; sobald aber einer von ihnen das Fenster öffnete, um den Soldaten, die die ersten Toten einsammeln mussten, mitzuteilen, dass es bei ihnen in der Werkstatt keine Pestkranken gab, erging es ihnen allen nicht besser, weil ein bestialischer Gestank ins Haus drang. Mit Trommelwirbeln und Plakaten an den Hauswänden wurde der Bevölkerung befohlen, die Leichname vor ihren Häusern abzulegen, weshalb es in der ganzen Stadt entsetzlich stank.
    Um sich abzulenken versuchte sich Alix auf die Arbeit zu konzentrieren, was ihr aber nicht immer gelang.
    Aus Angst, sein Haus könnte geplündert werden, weil Verbrecher die schweren Zeiten ausnutzten, um alles zu stehlen und zu rauben, was nicht niet- und nagelfest war, war der alte Gauthier nach Hause zurückgekehrt. Aber die alte Bertille war so entsetzt von der Geschwindigkeit, mit der die Epidemie ihre Opfer holte, dass auch sie Tours verlassen und sich irgendwo verstecken wollte, wo sie die Pest nicht treffen konnte.
    Das gelang ihr allerdings nur unter größten Schwierigkeiten, weil man die Stadt nicht mehr verlassen durfte. Sie nahm ihre gesamten Ersparnisse und fand einen Kutscher, der beinahe ihr ganzes Geld dafür verlangte, sie aus der Stadt zu bringen. Er versteckte sie zwischen Reisigbündeln auf seinem Karren - das war die einzige Last, die noch bewegt werden durfte - und setzte sie am Rande

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