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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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beistehen, sie trösten oder vielleicht sogar wieder gesund machen.«
    Florine schrie laut auf, dann versank sie in tiefe Bewusstlosigkeit. Die Leistengeschwulst wurde immer größer und begann zu nässen, was mit unerträglichem Gestank verbunden war. Mathias zog ihren Rock wieder über ihre Beine, weil er den Anblick nicht länger ertragen konnte, nahm ein sauberes Tuch und tauchte es in frisches Wasser. Damit befeuchtete er vorsichtig ihre Lippen und presste ein paar Tropfen Wasser heraus, weil er hoffte, sie würde sie trinken. Aber Florine rührte sich nicht, sie reagierte überhaupt nicht mehr.
    Draußen auf der Straße wurde es immer lauter, es herrschte ein richtiger Höllenlärm. Das Quietschen eines Fuhrwerks hallte zwischen den beiden Werkstätten hin und her, als ob es mit seinen eisenbeschlagenen Rädern gerade in den Innenhof gefahren wäre. Der Karren schien so nahe ans Haus gekommen zu sein, dass alle den Atem anhielten. Dann hämmerte jemand laut gegen die Tür.

    »Was wollt ihr?«, rief Jacquou empört.
    »Wir haben erfahren, dass es bei euch einen Toten gibt. Werft ihn aus dem Fenster.«
    »Bei uns ist niemand gestorben. Macht, dass ihr hier wegkommt!«
    In der Werkstatt herrschte eisige Stille.
    »Irgendwer muss mitbekommen haben, dass du in der Stadt gewesen bist, Mathias«, flüsterte Jacquou.
    Und wieder klopfte es laut, und die Tür drohte nachzugeben, so heftig hämmerten die Männer dagegen.
    »Wenn ihr euren Toten nicht herauswerft, brechen wir eure Tür auf, und wenn es sein muss, nageln wir sie auch zu. Dann müsst ihr alle sterben.«
    »Aber ich sage doch, hier gibt es keine Toten. Kommt rein und überzeugt euch selbst.«
    »Gehen wir weiter! Wir kennzeichnen die Tür, und morgen nageln wir sie zu. Wenn es einen Leichnam gibt, werden sie ihn schon rausgeben, sonst sind sie alle verloren.«
    Als wollte sie ihnen recht geben, begann Florine zu röcheln, und der Gestank wurde vollends unerträglich. Alix würgte und musste sich übergeben. Jacquou stürzte zu ihr, stützte sie und schob sie energisch in die andere Werkstatt.
    Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, und Jacquou musste ihr das Kind abnehmen, das sie im Arm gehalten hatte. Dann hörten sie einen schrecklichen Schrei, wie das Gebrüll eines waidwunden Tieres. Das war das Letzte, was sie von sich gegeben hatte. Florine war tot.
    Mit versteinertem Blick kauerte Mathias reglos neben ihr.
    Jacquou war zu ihm zurückgekehrt und nahm ihn in den Arm. Auch Julio war bei ihnen, nur Pierrot hatte vor lauter Angst die andere Werkstatt nicht verlassen.

    »Wir müssen ihren Leichnam wegbringen und diese Werkstatt verschließen«, sagte Julio.
    »Ich lasse nicht zu, dass man meine Frau auf diesen Karren voller Pestleichen wirft!«, schrie Mathias. »Ich bringe sie zu den Mönchen von Saint-Pierre, die ich gerade kennengelernt habe.«
    »Dann komme ich mit«, erklärte Julio ungerührt.
    »Das brauchst du nicht«, stöhnte Mathias, »ich komme sowieso nicht wieder.«
    »Was redest du denn da?«, sagte Julio und umarmte den Freund. »Ich werde hier nicht gebraucht. Jacquou und Alix kommen sehr gut ohne mich zurecht. Aber du kannst das allein nicht schaffen. Zu zweit haben wir vielleicht eine Chance. Wenn wir leise sein wollen, damit man uns nicht bemerkt, müssen wir den Leichnam außerdem tragen. Du kannst ihn nicht ziehen.«
    Ganz verstört starrte Mathias das aufgedunsene, entstellte Gesicht seiner Frau an.
    »Du weißt genau, dass du es nicht allein schaffen kannst, Mathias«, wiederholte Julio.
     
    Alix hatte sich mittlerweile ein wenig erholt und traf wichtige Vorkehrungen. Sie kochte Infusionen und bereitete einen Sud zu, in den sie Essig, Kampfer, Knoblauch und Absinth mischte. Dann seihte sie das Ganze ab und rieb dem kleinen Nicolas vorsichtig Mund und Nase damit ein, damit alle Krankheitskeime abgetötet wurden.
    Während sie damit beschäftigt war, zündete Jacquou überall in der Werkstatt so viele Kerzen an, wie er finden konnte, um die Pesterreger auszuräuchern, die womöglich durch die Ritzen der Tür drangen, die sie von der anderen Werkstatt trennte.
    Pierrot sagte kaum etwas. Nachdem er sich erst geweigert hatte, mit den anderen zu fliehen, als die Pest ausbrach - Arnaude hatte
ihm mehrmals angeboten, ihn mitzunehmen -, wurde er nun von Tag zu Tag ängstlicher. Und Florines Tod hatte ihn in eine Art Erstarrung versetzt, aus der er sich nicht mehr lösen konnte.
    Julio kam noch am selben Abend zurück und berichtete,

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