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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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habe.«
    Der Mann war noch jung, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, mager, und sein knochiges Gesicht war ganz eingefallen vom Hunger.
    »Ihr schaut nicht so aus, als ob Ihr euch angesteckt hättet«, stellte Julio fest. »Wie seid Ihr den Pestausdünstungen entkommen?«
    »Manchmal sind die Straße und das Elend eben auch segensreich«, antwortete der junge Mann.
    Julio nickte zustimmend.
    »Als Ihr um Einlass gefleht habt, haben wir Euch nicht aufgemacht.
Jetzt mussten wir gerade zwei unserer Lieben begraben. Kommt herein, wir haben noch genug zu essen.«
    Alix äußerte sich nicht. Was kümmerte es sie schon, ob dieser junge Mann die Pest hatte oder nicht! Jacquou, ihr Jacquou war nicht mehr bei ihr, war tot und begraben in einem namenlosen Grab. Auf einmal stand sie ganz allein da. Was für eine Katastrophe! Was sollte sie jetzt nur tun? Sie musste an Meister Coëtivy denken, der sie beide so gemein hatte fallen lassen. Ob er wohl noch lebte? Und wenn ja, was würde er wohl empfinden, wenn er erfuhr, dass sein Sohn gestorben war?
    Sie musste wieder schluchzen, und dann überkam sie ein schrecklicher Schauder. Bestimmt freute sich Coëtivy, wenn er hörte, dass sie Witwe geworden war. Alix kehrte auf den Boden der Tatsachen zurück und sah Pierrot an, der den Neuankömmling mit angstgeweiteten Augen anstarrte.
    »Wie heißt Ihr denn?«, fragte ihn Julio.
    »Ich heiße Landry. Ich bin Webereiarbeiter und musste meinen Meister Mortagne verlassen, weil der während der Epidemie sein Personal nicht behalten wollte.«
    »Mortagne!«, sagte Alix ausdruckslos. »Mortagne ist mein ärgster Feind.«
    Landry wirkte verlegen, beruhigte sich aber bald, als Alix ihm eine Suppe aus getrocknetem Gemüse kochte und eine schöne Scheibe geräucherten Speck für ihn abschnitt.
    Doch dann begann sie wieder zu schluchzen und sagte immer wieder: »Was soll ich nur tun? Was soll ich nur ohne meinen Jacquou machen?«
    »Ihr werdet arbeiten, Alix. Nach der Pest kommen neue Aufträge, und das Leben geht weiter.«

13
    Romorantin hatte die Pest nicht erobern können. Die Sologne wirkte wie ein unüberwindliches Hindernis. Im Gegensatz zu früher, als die ganze Gegend ungesundes Sumpfland war, in dem immer wieder Infektionskrankheiten und verschiedene Fieber ausgebrütet wurden, war man dort nun sicher vor den Seuchen, die das Land regelmäßig heimsuchten.
    Zu Beginn der Renaissance bot die Sologne, die von drei Königen sorgsam gepflegt worden war, weil sie bestens geeignet war für ihre großen Jagden, der Bevölkerung in dieser waldigen Enklave mit ihren zahlreichen Teichen Schutz. Hinter den Wäldern aber, dort wo die Sologne aufhörte, musste man jeden Tag Kinder, Greise, Männer und Frauen begraben, die der Pest zum Opfer gefallen waren.
    Nachdem die Pest an den Ufern der Loire gewütet hatte, breitete sie sich nun an der Seine entlang Richtung Norden aus. Zentralfrankreich war verschont geblieben, und viele Menschen flüchteten jetzt in den Süden nach Aquitaine, Burgund oder in die Provence.
    Der König hatte richtig entschieden, Königin Anne und die Familie d’Angoulême in der Sologne in Sicherheit zu bringen. Auch wenn man auf Château de Romorantin sehr beengt lebte, und sich der stark eingeschränkte Hofstaat der Königin und das noch viel kleinere Gefolge der Comtesse d’Angoulême allmählich kaum noch gegenseitig ertrugen, gab es doch immerhin keinen einzigen Toten zu beklagen.

    Der Bauch der Königin wurde von Tag zu Tag dicker, und man verdoppelte die Vorsichtsmaßnahmen gegen jede nur denkbare Ansteckungsgefahr.
    Aus Angst, irgendein Fremder könnte die Seuche einschleppen, waren sämtliche Zugänge zum Schloss versperrt, und die Hebammen wohnten schon lange in den Unterkünften für die Dienstboten der Königin, die sich so sehr vor der Krankheit fürchtete, dass sie sich immer mehr zurückzog.
    Jeden Morgen konnte man sehen, wie sich ein Lakai, ein Kutscher, ein Wächter oder ein Soldat auf den Weg nach Poitiers machte. Die Bediensteten waren nicht so ängstlich und riskierten ihr Leben in der Hoffnung auf eine Belohnung von ihrer Herrschaft, wenn die schrecklichen Zeiten erst vorbei waren. Aber solche Aufregungen gab es nur unter der Dienerschaft, der Hof führte ein scheinbar angstfreies, ruhiges Leben.
    Eines Tages also kam die junge Catherine, das Zimmermädchen der Comtesse d’Angoulême, mit einem Schreiben aus Tours zu Louise, das sie einem reitenden Boten zu einem stolzen Preis abgekauft hatte.
    »Was

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