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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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dem Augenwinkel.
    Coëtivy wusste nicht mehr, was er sagen sollte, und hatte sich etwas von den beiden Frauen entfernt.
    »Wer ist seine Halbschwester? Wie heißt sie?«
    »Isabelle de La Trémoille.«
    »Nachdem ihre Mutter Cassex hieß, ist der Adelstitel also angeheiratet«, grübelte sie.
    Sie ging auf Pierre zu, sah ihn verärgert, aber friedlich gestimmt an und fragte mit einem leisen Seufzen:
    »Warum hast du mir nichts gesagt? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich viel mehr Geld von dir für Jacquous Erziehung verlangt. Gott sei Dank hätte ich ihm nicht mehr Zuneigung schenken können, als ich es ohnehin getan habe.«
    »Ich weiß, dass Léonore die Tochter eines berühmten Webers aus Brügge ist, Dame Bertrande. Das ist aber leider auch alles, was ich über Jacquous Mutter weiß.«
    »Ach, ich wusste doch, dass diesem Kind seine Begabung für die Weberei in die Wiege gelegt worden ist. Und das gleich zweimal, gütiger Gott! Hab ich’s doch geahnt!«
    Dame Bertrande schüttelte missbilligend den Kopf. Langsam und ohne ein Wort zog sich ihr Mann Schritt für Schritt zurück, als wolle er sich weit genug entfernen, um sich diese Auseinandersetzung nicht mehr länger anhören zu müssen. Aber seine Frau nahm die gefährliche Diskussion wieder auf.
    »Dann hast du sie also da oben kennen gelernt. Ich habe ja immer geahnt, dass du in Flandern ein Doppelleben führst.«
    Weil er nichts dazu sagte, ging sie auf ihn zu und stieß ihn mit beiden Händen von sich.
    »Geh jetzt, Pierre, und komm nicht so schnell wieder. Erst wenn ich das alles vergessen und dir, vielleicht, verziehen habe.«
    »Komm jetzt, meine Kleine. Du musst mir die ganze Geschichte erzählen.«
    Coëtivy stürzte sich auf Alix und würgte sie. Er war außer sich vor Wut. Dame Bertrande war entsetzt, als er mit zornigen Augen den zierlichen Hals des jungen Mädchens umklammert hielt.
    »Lass sie los und verschwinde!«
    »Nein!«
    »Ich sage dir, verschwinde auf der Stelle!«
    »Nicht ehe ich ihr gesagt habe …«
    »Du hast ihr nichts zu sagen.«
    Er blieb beharrlich.
    »Sie hat kein Recht auf Jacquou.«
    »Und ob ich das habe, Meister Coëtivy. Und ich sage Euch auch, warum.«
    »Gar nichts wirst du sagen.«
    »Pierre! Sei still und hör dir an, was sie zu sagen hat. Sonst musst du sofort gehen.«
    Coëtivy wandte sich zu Alix und sah sie wütend an.
    »Was willst du dir denn noch alles ausdenken, du miese kleine Lügnerin?«
    »Bis jetzt wart Ihr es, Herr Coëtivy, der seine Frau angelogen hat. Ich habe immer nur die Wahrheit gesagt. Und das werde ich auch weiter tun, ob Ihr wollt oder nicht, weil Eure Frau sie nämlich zu hören wünscht.«
    Sie lächelte – erleichtert und fast vergnügt – und entblößte dabei ihre hübschen weißen Zähne, die wie Perlmutt glänzten.
    »Ja«, sagte sie und hörte nicht auf zu lächeln, »ich sage weiter die Wahrheit, die Ihr wahrscheinlich bestreiten werdet. Und weil Ihr ja nicht wollt, dass ich Euer Haus betrete, sage ich sie Euch hier.«
    »Was willst du denn noch?«, rief er außer sich und bemerkte nicht einmal, dass die Dienstboten die Vorhänge zur Seite schoben und die Ohren spitzten, um alles besser mitzubekommen.
    »Ich will noch sagen, dass Jacquou und ich verheiratet sind, Meister Coëtivy.«
    Auf dieses Geständnis hin brach er in irres Gelächter aus.
    »Da haben wir es! Eingebildete, aufgeblasene kleine Göre! Du willst mit ihm verheiratet sein! Eine Waise ohne Geld und ohne Bildung. Du lügst!«
    »Ich lüge nicht!«, schrie Alix und lief vor Zorn rot an.
    »Und wie hättest du ihn, bitte, heiraten sollen, du Waise? Du bist ja noch nicht mal alt genug, um das ohne die Zustimmung deiner Eltern zu dürfen.«
    »Ich habe keine Eltern gebraucht, damit sie es mir erlauben. Ich hatte die Zustimmung von Kardinal Jean de Villiers, der für mich einen Sonderdispens aus dem Vatikan in Rom erwirkt hat.«
    »Kardinal Jean de Villiers! Aus dem Vatikan!«, rief Dame Bertrande und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Das ist doch nicht wahr!«, brüllte Coëtivy.
    »Doch, das ist wahr! Am Tag bevor Ihr mit Jacquou nach Flandern gereist seid, haben wir den kirchlichen Segen erhalten.«
    Alix dachte, er würde wie vom Blitz getroffen zu Boden gehen. Er trat ein paar Schritte zurück, wurde immer bleicher und stürzte sich dann erneut auf Alix, um sie zu würgen.
    »Schluss damit! Hast du den Verstand verloren, dass du dich so aufführst?«
    »Dieses Mädchen lügt!«
    Alix lächelte ihn

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