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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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betrachtete, ließ sie ihr Haar, wo es war.
    Gleichzeitig war Louise aber auf der Hut und so angespannt wie eine Katze, die bei der geringsten Überraschung sprungbereit ist.
    »Nur ein oder zwei Jahre, Louis! Erlasst mir nur ein oder zwei Jahre«, bettelte sie.
    »Leidet Ihr denn so unter meiner Vormundschaft?«
    »Nein, aber ich möchte einfach frei entscheiden können, lieber Cousin. Weiter nichts.«
    »Ich bitte Euch, werdet jetzt nicht ungerecht«, sagte er mit einer ärgerlichen Handbewegung. »Ehe es so weit ist, finden wir einen Privatlehrer für Eure Kinder. Ihr müsst Euch also wirklich keine Sorgen machen.«
    »Das genau möchte ich aber gern selbst entscheiden, und diesmal ohne Eure Hilfe.«
    Ihre Stimme klang auf einmal hart und fremd – abgehackt und hastig und ganz anders als die melodische Stimme, die man sonst von ihr gewohnt war.
    Überrascht ließ Louis ihre Hand los, die er noch immer gehalten hatte.
    »Meinetwegen! Schließlich weiß ich ja, dass Ihr klug und gebildet genug seid, um einen guten Lehrer für Eure Kinder auszusuchen.«
    Auf einmal schien sie ganz beruhigt. Als Louis ihre Miene studierte, um herauszufinden, woran das liegen mochte, hatte sie aber bereits wieder zu ihrer gewohnt sanften Stimme gefunden und lächelte ihn entwaffnend an.
    »Ich klingle nach dem Dienstmädchen«, sagte sie. »Ihr möchtet doch bestimmt etwas Heißes zu trinken, Louis? Das Essen ist gleich fertig.«
    Als das Mädchen hinter dem Wandbehang auftauchte, hinter dem sich die Wohnzimmertür verbarg, bestellte Louise einen »Hypocras«, einen Gewürzwein.
    »Erzählt mir doch inzwischen, was es Neues gibt, lieber Cousin. Charles war ein großer Freund dieses Getränks, und eine der Köchinnen kann es ausgezeichnet zubereiten. Nur etwas Zimt und Ingwer, ausreichend Orangenschale und gemahlenen Muskat, und alles zusammen in heißem, gezuckertem Wein von der Charente ziehen lassen.«
    Während Louis kleine Schlucke des heißen Getränks nahm, das ihm zu schmecken schien, ging die junge Gräfin zu einem die Posaune blasenden Engeln verzierten Schrank.
    »Ich möchte Euch noch um einen besonderen Gefallen bitten, lieber Louis.«
    »Dieses Gebräu ist so gut, dass ich größte Lust habe, ihn Euch zu gewähren, Louise.«
    »Es handelt sich um Madeleine de Polignac.«
    »Ist sie das zweite uneheliche Kind Eures Gatten?«
    Sie nickte und reichte ihm ein Dokument.
    »Es ist eine Liste der Klöster hier in der Gegend um die Charente. Madeleine möchte nämlich Nonne werden; und sie ist mein Mündel. Vor seinem Tod hat mir Charles die ganze Verantwortung für sie und auch für Souveraine übertragen. Ich darf also weder die Mutter noch die Tochter enttäuschen. Das hätte Charles nicht geduldet, wie Ihr wisst.«
    Louis brach in lautes Gelächter aus.
    »Allerdings! Ich weiß sehr wohl, was für ein großes Herz mein verstorbener Cousin hatte! Wollt Ihr, dass ich ihre Aussteuer besorge?«
    »Ich verspreche Euch, dass ich Euch das Geld eines Tages zurückerstatten werde. Ihre Mutter erhält außerdem bald das Erbe ihres Onkels Polignac. Es ist zwar nicht viel, sollte aber dafür reichen.«
    Der König fuhr sich nachdenklich über sein aschblondes Haar, das sich allmählich lichtete. Dann rieb er sich das Kinn und überlegte.
    Als sie ihn so ratlos sah, versuchte Louise ihren Cousin mit anderen Argumenten zu überzeugen.
    »Ihr werdet bestimmt verstehen, dass ich die drei unehelichen Kinder meines Mannes unmöglich im Stich lassen kann. Um die Älteste muss ich mir gerade keine Sorgen machen, weil sie im Dienst der Königin steht, und mit der Jüngsten hat es noch Zeit.«
    Er stand auf und kam zu Louise, die mit dem gleichen Eifer fortfuhr:
    »Im Augenblick geht es nur um Madeleine. Wegen meiner eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten ist sie von Eurem großzügigen Entgegenkommen abhängig. Deshalb würde ich ihr so gern helfen.«
    Louis nahm seine Cousine in den Arm und drückte sie ein wenig zu fest an sich.
    »Einverstanden, die Tochter Eurer Zofe bekommt die Aussteuer, die sie braucht, um ins Kloster zu gehen.«
    »Ich danke Euch, Louis, Ihr seid wirklich zu großzügig. Wo immer er auch sein mag – Charles wird Euch bestimmt sehr dankbar sein.«
    Vorsichtig löste sie sich aus seiner Umarmung und sagte:
    »Was haltet Ihr von einem Ausritt vor dem Frühstück? Unsere Gegend hier um Angoulême wäre eine schöne Abwechslung für Euch.«
    Mit diesem wohlüberlegten Vorschlag verfolgte die kluge Gräfin gleich zwei

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