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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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lächelte zufrieden und ließ sich beinahe genüsslich in den mit Samt bezogenen Lehnsessel sinken.
    Ein Dienstmädchen legte Holz nach, und das Kaminfeuer verbreitete eine heitere und friedliche Atmosphäre, die wie geschaffen schien für ein gutes Gespräch.
    Louise vergewisserte sich, dass ihr Gast bequem saß, nahm sich dann ihren kleinen Lieblingsstuhl mit den geschnitzten Holzbeinen, stellte ihn gegenüber dem Lehnstuhl hin und nahm selbst Platz.
    »Wie geht es Eurem Sohn, dem großen Jungen?«, fragte Louis und streckte seine Beine lässig aus.
    »Ihr bekommt ihn noch zu Gesicht, bevor Ihr geht, lieber Cousin. Es ist eine Freude, ihn heranwachsen zu sehen«, antwortete Louise und beobachtete unauffällig, dass ihre Schuhspitzen die des Königs berührten.
    »Lieber Himmel! Wenn mir meine Frau auch einmal so schöne Kinder schenken könnte, wäre ich der glücklichste Mensch der Welt! Aber reden wir jetzt nicht von mir«, sagte er, weil ihm nicht entgangen war, wie verlegen sein Gegenüber war. »Wie kann ich Euch helfen, schönste Cousine? Ich nehme an, Eure Schwierigkeiten sind finanzieller Natur.«
    »Da Ihr ja der Vormund meiner Kinder seid, seit mein Mann gestorben ist, und ihr Besitz mütterlicherseits hinterlegt und nicht zugänglich ist, wüsste ich nicht, wen ich um Hilfe bitten sollte, wenn nicht Euch?«
    Er bewegte ein Bein und schob es unter den Sessel, dann streckte er das andere aus, bis er mit ihm Louises Fuß berührte.
    »Als Charles gestorben ist«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken, »habt Ihr eine Aufstellung von meinem Erbteil machen lassen. Das heißt, wir sollten nicht anrühren, was meinen Kindern von Rechts wegen zusteht.«
    »Sprecht Ihr von den Schmuckstücken, die Marguerite de Rohan Euch hinterlassen hat?«
    »Ja. Das goldene Kreuz mit dem großen Diamanten, den Cabochonrubin, die große, runde Perle, die Karneole, die Türkise und den spitzen Diamanten.«
    Louis wich dem fordernden Blick seiner Cousine aus und betrachtete das große, rot glühende Holzscheit, das gleich auseinanderbrechen würde.
    »Ihr könntet den Schmuck bei mir beleihen«, schlug er vor.
    »Ich möchte aber eigentlich auf keinen Fall etwas von Euch leihen, lieber Cousin. Wäre es nicht möglich, dass ich stattdessen einige alte Münzen verkaufe, die ich von meiner Familie geerbt habe, und den Schmuck meiner Schwiegermutter nicht anrühre?«
    »Liebe Cousine, ich will Euch wirklich nichts raten, was zu Eurem Nachteil wäre. Es wäre allzu schade, wenn Ihr Euch von Euren Heinrichs trennen würdet!«
    Louise erhob sich, ging ein paar Schritte auf und ab, lehnte sich dann einen Moment an das Kaminsims und schnippte mit dem Fuß ein Stück Glut zurück, das sich auf den Boden verirrt hatte.
    »Die Goldmünzen von Heinrich von Kastilien scheinen mir aber weniger wertvoll als die von Alfons von Aragon«, sagte sie und stützte ihr Kinn nachdenklich auf den Zeigefinger.
    »Da täuscht Ihr Euch, Louise, die Alfonsinos werden mit der Zeit immer wertvoller.«
    Louise setzte sich wieder auf ihren Stuhl und stellte die Füße auf das gedrechselte Querholz. Der dicke Samtvorhang vor dem größten Fenster war zur Seite gezogen, und der Himmel hinter den Scheiben war so früh am Morgen noch blassblau.
    Jetzt wollte Louis nicht länger sitzen bleiben. Langsam richtete er sich zu seiner vollen Größe auf, sah die Cousine mit seinen kühlen und doch anziehend wirkenden grauen Augen unverwandt an und sagte:
    »Dann behaltet doch einfach Eure Heinrichs und Eure Alfonsinos, Louise. Sie werden noch einmal stattlichen Gewinn abwerfen. Trennt Euch lieber von den Münzen von René d’Anjou.«
    »Meint Ihr die Magdalener?«
    »Ja, sie steigen nicht mehr im Wert.«
    »Lieber Cousin, ich danke Euch. Ich weiß Eure Freundschaft und Euer Entgegenkommen sehr zu schätzen. Was täte ich nur ohne Euren klugen Rat?«
    Sie reichte ihm ihre Hand, und er drückte sie zärtlich. Und dann sagte er leise und mit einem verstohlenen Seufzer:
    »Was täte ich nicht alles für Euch, schöne Cousine?«
    »Bei allem Respekt, den ich für Euch empfinde, lieber Cousin«, nahm sie den Faden auf und blitzte ihn schelmisch an, »ich kann es trotzdem kaum erwarten, älter zu werden!«
    »Älter? Was für ein Unsinn, Louise! Stellt Euch vor, wie froh ich wäre, wenn ich wieder zwanzig wäre!«
    Louise warf sich in die Schultern, und ihre roten Locken fielen ihr anmutig ums Gesicht. Als sie bemerkte, dass Louis sie augenscheinlich wohlgefällig

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