Die Seidenstickerin
Ziele auf einmal: Zum einen wollte sie an seiner Seite reiten, weil sie wusste, dass er Kavalier genug war, einen Ausritt mit einer guten Reiterin zu genießen; zum anderen wollte sie Saint-Gelais Gelegenheit geben, unbemerkt von ihrem hohen Gast das Schloss zu verlassen.
So verlief der Tag ohne Zwischenfälle, und Louis machte sich abends auf den Heimweg.
Und erst als man Mordocus’ Hufe nur noch ganz leise auf dem Weg nach Angoulême hörte, tauchten Jeanne und Antoinette wieder auf. Zur großen Überraschung von Louise erschien auch Jean in ihrem Gefolge, und die junge Gräfin lachte bei seinem Anblick erleichtert.
»Jean, ich dachte, Ihr wärt abgereist!«, rief sie vergnügt.
»Eure Zofen haben mich zum Bleiben überredet, Louise.«
»Und wenn Euch Louis entdeckt hätte?«, fragte Louise und lachte noch immer. »Das Zerwürfnis zwischen euren Familien ist noch nicht bereinigt, soweit ich weiß.«
Der junge Mann machte eine ausladende Geste, als fände er die Antwort reichlich gewagt. Dann meinte er aber nur ganz ruhig:
»Wenn ich der Privatlehrer Eurer Kinder werde, erfährt er das ohnehin eines Tages. Und wenn Ihr ihm nicht zuvorkommt, Louise, wird er Euch einen anderen Lehrer vorsetzen.«
»Ihr habt Recht, Jean. Heute Morgen habe ich allerdings sogar dieses Thema angesprochen, und mein Cousin war gar nicht so abgeneigt, dass ich mir diesen Lehrer selbst aussuche.«
Sie ging zu Jean und nahm seine Hand.
»Gleich morgen fangt Ihr mit Souveraine an. Ihre Lücken in Latein sind wirklich viel zu groß. Wann Ihr mit dem Unterricht für Marguerite und François beginnt, sehen wir dann später.«
Es wurde noch ein fröhlicher und unterhaltsamer Abend mit vielen Bonmots, die man sich zuwarf wie frisch gepflückte Blumen, mit denen man jemand verführen wollte.
Es war offensichtlich, dass die gute Laune und Redegewandtheit des jungen Mannes den Zofen nicht weniger gefielen als der Gräfin. Aber Louise blieb auf der Hut und sorgte dafür, dass sie nicht allzu viele Abende gemeinsam verbrachten, an denen Antoinette oder Jeanne Jean verfallen konnten.
So viele Male hatte sie ihren Mann mit ihnen teilen müssen. Jetzt durfte niemand auch nur einen einzigen winzigen Teil ihres Gefühlslebens beanspruchen. Sie hätte es nicht ertragen, wenn sich eine andere Frau in diese neu entdeckte Liebe gedrängt hätte, die sie ganz für sich allein genießen und behalten wollte.
Die zärtliche Liebe und die galante Aufmerksamkeit, die ihr junger Lebensgefährte ihr schenkte, und die leidenschaftlichen Momente, die sie gemeinsam erlebten, bedeuteten für Louise unbekannte Höhenflüge.
Als sie dann zu Bett gegangen waren, wirkte Louise sehr ausgeglichen, bemerkte aber in Jeans Gesicht eine seltsame Unruhe.
Draußen war es mittlerweile finstere Nacht, und die kühle Luft, die durch ein halbgeöffnetes Fenster drang, zeugte von einem frühen Herbst. Louise stand auf, um das Fenster zu schließen.
Mit großen Schritten lief sie zum Bett zurück, reckte und streckte sich genüsslich wie eine Katze und sah ihren Geliebten sehnsüchtig an. In diesem Augenblick war Louise restlos glücklich.
16
Endlich konnte sich Alix wieder auf den Weg machen, und sie fühlte sich gesund und munter und voller Tatendrang. Wieder hatte sie eine gut gefüllte Geldbörse bei sich, und Amandine, die froh über das Ende der erzwungenen Ruhepause schien, war jetzt vor einen kleinen Wagen gespannt.
Die Zeit, die sie mit Dame Bertrande verbracht hatte, war für Alix wichtiger als viele andere Phasen in ihrem kurzen, aber ereignisreichen Leben gewesen; ihr kluger Rat hatte ihr in mancherlei Hinsicht weitergeholfen.
Alix hatte Nantes bei bester Laune und guter Gesundheit verlassen. Sie brannte nur so darauf, endlich zu erreichen, was sie sich vorgenommen hatte.
Auf Dame Bertrandes Empfehlung hin hatte sie Jacquou die Zeit gelassen, seine Gesellenzeit zu beenden. Nun wusste jeder, und Meister Coëtivy am besten, dass ihn nichts und niemand mehr daran hindern konnte, zusammen mit Alix, seiner Frau, eine eigene Werkstatt aufzumachen.
Dame Bertrandes Rat war umso gescheiter gewesen, weil sie erfahren hatte, dass ihr Mann seinen Aufenthalt in Brügge verlängern wollte, wo er mit dem Maler und Kupferstecher Dürer und dem Brüsseler Verleger und Maler Peter Van Aelst vom Schultheiß der Stadt eingeladen war.
Coëtivy hatte Dame Bertrandes Heim durchaus nicht Hals über Kopf und ohne einen Plan verlassen; das hätte ihm auch nicht ähnlich
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