Die Seidenstickerin
unschuldigen Ohren vor den Gerüchten und dem Aufsehen verschließen sollen, das dieser unerhört ausschweifende Luxus erregte? Noch dazu wo sie sicher sein konnte, dass die Geschichten der Wahrheit entsprachen, weil sie aus einer gut unterrichteten Quelle stammten, nämlich von Jehanne, der älteren Tochter von Antoinette.
Die Sorgen von Louise hatten so gar nichts mit diesem Prunk zu tun, aber das Leben auf dem Schloss in Cognac verlief dennoch weiter in den gewohnt heiteren Bahnen. Die wertvollen Münzen aus dem Degenknopf des Grafen hatten doch nicht ausgereicht, um das ganze Schloss instand zu setzen; und, was noch viel schlimmer war: Die Landarbeiter, die Stallknechte und die Kutscher hatten auch noch nicht ihren ganzen Lohn erhalten. Außerdem gab es noch eine Reihe von Lakaien, Dienerinnen, Ammen und Zofen, für die Kost und Logis und Kleidung bezahlt werden musste. Die Lage spitzte sich allmählich dramatisch zu.
Und auch die Musiker, Maler und Dichter, die wie zu Zeiten von Jean und Charles d’Angoulême, die diesen Brauch auch schon von ihren Vorfahren übernommen hatten, ständige Gäste auf dem Schloss waren, mussten irgendwie verköstigt werden.
Als die Gräfin vor lauter finanziellen Verpflichtungen nicht mehr ein noch aus wusste, blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als sich an Louis zu wenden, der nur auf ein Wort seiner stolzen Cousine wartete.
Und an einem Sommermorgen, als Louise gerade ihre seidenen Bettvorhänge zurückgezogen hatte und noch schlaftrunken war von einer wunderbaren, aber viel zu kurzen Nacht, tauchte der König ohne Eskorte unangemeldet in Cognac auf.
Ihre Zofe und Dame Andrée hatten sie von dem Besuch unterrichtet, und Louise beeilte sich, ihren Cousin, den König von Frankreich, zu empfangen.
Antoinette und Jeanne, die dem Gast nicht vorgestellt werden sollten, mussten das Zimmer hüten, solange sich der König im Schloss aufhielt.
An diesem Morgen gab es aber noch jemanden, der nicht auf das Wohlwollen König Louis’ zählen konnte und sich deshalb auch lieber in seinem Zimmer einschloss, das er seit kurzem ganz offen mit Louise teilte, nämlich Jean de Saint-Gelais.
Der große Salon, in dem Louis sie erwartete, war erfüllt von dem Duft der letzten Stockrosen, der durch die halbgeöffneten Fenster drang.
Als Louise in einem nachtblauen langen Kleid mit schwarzen Seidenborten – die roten Locken fielen ihr ungebändigt auf die Schultern – hereinkam, ging Louis mit ausgestreckten Händen und einem breiten Lächeln auf sie zu.
»Ich habe Euch als bezaubernd in Erinnerung, liebste Cousine, aber Ihr seid noch viel schöner geworden!«, begrüßte er sie fröhlich. Als die Kinder seine Stimme hörten, kamen sie angelaufen.
Und ehe Louise überhaupt ein paar Worte der Begrüßung hatte sagen können, rannte Marguerite zu Louis und warf sich ganz außer Atem in die starken Arme dieses freundlichen Mannes, von dem ihr die Mutter schon so viel erzählt hatte. Irgendwie stellte sie sich diesen lustigen und umgänglichen Cousin in ihrer kindlichen Phantasie als Beschützer vor. Souveraine verhielt sich zwar zurückhaltender, war aber genauso begeistert von diesem Wahlverwandten.
»Gott! Was für schöne Kinder, Louise! Die kleine Souveraine wird von Tag zu Tag hübscher, und ich wette, deine kleine Marguerite wird einmal genauso schön wie ihre Mutter!«
Louise wartete, bis der König seine Begrüßungskomplimente gemacht hatte, und sagte dann, an die Kinder gewandt, mit einem Anflug von Zufriedenheit in der Stimme:
»Jetzt ist es genug, meine Mädchen! Lasst unseren Cousin, den König, in Frieden und geht jetzt wieder zu Dame Andrée.«
Marguerite, die weder auf ihre Mutter noch auf die Benimmregeln hörte, die man ihr beibringen wollte, zappelte weiter in Louis Armen und zerrte an der schweren Medaille, die um seinen Hals hing.
»Das ist aber schön!«, rief sie und bestaunte das große Tier, das in den Bronzeanhänger graviert war. »Was ist das?«
»Ein Stachelschwein, mein Wappentier.«
Das kleine Mädchen fuhr mit den Fingern über die seltsamen Stacheln, die das Tier auf dem Rücken hatte, und ließ sich schließlich vom König trennen. Ohne weiteren Widerspruch zu dulden, nahm Louise ihre Tochter an der Hand und brachte sie zur Tür.
»Geh jetzt mit Marguerite spielen, Souveraine! Der König und ich haben wichtige Dinge zu besprechen«, befahl sie dem anderen Mädchen.
Louis warf einen Blick auf die Wandbehänge und die alten Gemälde an den Wänden,
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