Die Seidenstickerin
die übrigen Jagdhunde, die die Kinder auf keinen Fall in Cognac hatten zurücklassen wollen, mussten sich in den Wagen von Philibert zwängen.
Der Konvoi war noch vor Morgengrauen aufgebrochen, und nur ein paar kobaltblaue Streifen am dunklen Himmel kündigten den nahenden Tag an.
Jean de Saint-Gelais ritt dem Tross voraus und sicherte den Weg ans Ufer der Charente. Von Cognac aus gab es keinen besseren und bequemeren Weg als den, den sie an diesem Morgen gewählt hatten. Sie mussten an der Charente entlangfahren und sie dann bei Angoulême überqueren.
Als sie Cognac und die Türme von Ecurie hinter sich gelassen hatten und durch die verwinkelten Gassen an Holzhäusern vorbeigefahren und an den Häusern der Flusshafenoffiziere und der Gerichtsschreiber vorbeigekommen waren, wusste Louise nicht recht, ob ihr nun fröhlich oder traurig zumute war.
Gedankenversunken starrte sie auf die Straße nach Merpins, als sie Frauen in grauen Röcken und weißen Hauben überholten, die auf dem Weg ins Dorf waren, und erinnerte sich, wie oft sie hier schon mit ihren Kindern unterwegs gewesen war.
Die kühle Luft war noch feucht vom Morgentau, der auf den Bäumen lag. Louise überzeugte sich davon, dass ihre Kinder warm genug angezogen waren und sich nicht erkälten konnten. Dann wickelte sie sich fester in ihren Mantel, weil es in der schlecht abgedichteten Kutsche ziemlich zog.
Obwohl es nicht hell werden wollte, hatten sie die Strecke am Fluss entlang ohne Schwierigkeiten zurückgelegt und näherten sich jetzt Angoulême.
Die steinerne Brücke dort war in einem guten Zustand und sehr bequem zu befahren. Seit vielen Jahren schon ermöglichte sie es zahllosen Reisenden, den Fluss gefahrlos zu überqueren. So früh am Morgen war allerdings nur der Nachtwächter da, um die Überfahrt zu beaufsichtigen, weshalb die Kutschen und Wagen besonders vorsichtig hinübergelenkt wurden.
Am anderen Ufer der Charente passierte der Konvoi zunächst das Städtchen Angoulême und kam dann auf eine breite und bequeme Straße.
Jean de Saint-Gelais ritt weiter voraus und sorgte für die Sicherheit von Louise und ihren Kindern. Marguerite und François waren zwischen Cognac und Angoulême eingenickt und wurden gerade langsam wieder wach.
»Ja, danke, Jean, es ist alles in Ordnung. Die Kinder scheinen aufzuwachen und werden mich sicher gleich mit Fragen bestürmen«, sagte sie und betrachtete sie liebevoll.
François rieb sich erstaunt die Augen, als er die großen Felder hinter dem Fenster sah. Marguerite zupfte aufgeregt an Prunelles Ohren, die dieses Übermaß an Zärtlichkeit nicht zu stören schien.
Die Sonne schickte ihre ersten wärmenden Strahlen auf die Erde, und gegen Mittag schlug Saint-Gelais einen Zwischenhalt in Poitiers vor.
»Dürfen wir zu Souveraine gehen, Mutter?«, fragte François.
»Aber natürlich. Antoinette und Jeanne wollen mir bestimmt Gesellschaft leisten.«
Liebevoll strich sie ihrem Sohn durchs Haar, um ein paar widerspenstige Locken zu bändigen, und wandte sich dann an Saint-Gelais.
»Werden wir Poitiers erreichen, ehe es dunkel wird, Jean?«
»Die Pferde machen keine Schwierigkeiten. Ich glaube, dass wir vor Sonnenuntergang im Gasthaus ›Zur Goldenen Henne‹ sind.«
Er sah Louise an und sagte ohne jeglichen Anklang von Bitterkeit in der Stimme: »Ich hole Eure Zofen. Sie werden gleich bei Euch sein.«
»Begleitet doch bitte die Kinder zu ihrem Wagen. Sie wollen sich ein bisschen amüsieren. Souveraine soll ihnen Gesellschaft leisten.«
Ein Weilchen grübelte sie über ihre ungewisse Zukunft nach. Dann hörte sie auch schon die klangvollen Stimmen ihrer Zofen und nahm Hut und Mantel ab, um sie herzlich zu begrüßen.
Obwohl Antoinette noch sehr schlank und hübsch war, befürchtete sie, dass sie mit beinahe vierzig bald keinen Mann mehr bezaubern könnte.
Jeanne war zwar etwas jünger als Antoinette, dafür aber um einiges rundlicher, was ihr jedoch nicht schlecht stand. Sie bewegte sich sehr anmutig und war ohne Zweifel äußerst charmant.
»Glaubt Ihr, wir werden am Hof von Chinon gern gesehen sein?«, fragte Jeanne und setzte sich neben Louise.
»Aber warum denn nicht? Es steht mir zu, meine Zofen – und darüber hinaus meine einzigen Freundinnen – mitzubringen.«
»Vielleicht wird man Euch andere Gesellschafterinnen zuweisen? Es würde mich schon sehr wundern, wenn Königin Anne, deren Hofstaat von sämtlichen europäischen Königshäusern gerühmt wird, Euch nicht zwänge, Eure
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