Die Seidenstickerin
strohgedeckten Haus war es stets behaglich warm.
In einem kleinen Schuppen, der ans Haus angebaut war, wohnte die Ziege Blanchette, aus deren Milch Bertille Butter und Käse machte. Neben der klugen Ziege stand Grison, der Esel, dessen Geschrei so klang, als polterten eine ganze Reihe Eimer einen Berg hinunter. Bei schönem Wetter grasten beide Tiere auf einer grünen Lichtung ganz in der Nähe.
Zweimal die Woche begleitete Grison Bertille zum Markt, der auf dem großen Dorfplatz von Doué stattfand. Bertille brach bei Tagesanbruch auf, um rechtzeitig zum Zwölfuhrläuten der Kirche Saint-Pierre, das noch von der Glocke des Klosters Saint-Maur unterstützt wurde, wieder zuhause zu sein. Grison ging ganz gemächlich mit den beiden großen Packtaschen rechts und links und manchmal sogar einer dritten Last auf dem Rücken.
Wenn Bertille mehr einkaufen musste als gewöhnlich – manchmal brauchten sie ein kleines Fass Wein oder einen schweren Sack dicke Bohnen, grüne Bohnen oder Topinambur, spannte sie den Esel vor den kleinen Karren. Den großen Wagen nahm Pierrot, um Brennholz zu holen.
Alix freundete sich schnell mit den beiden Tieren an. Und weil sich Grison und Blanchette gern von ihr streicheln ließen, war Alix ganz begeistert und lief ständig zu ihnen in den Stall.
Im Schuppen duftete es nach Heu und Holz und der Schmiere, mit der das Werkzeug geölt wurde; und die beiden Tiere verbreiteten auch einen angenehm warmen Geruch, den Alix gern mochte.
Die Karren waren im Hängeboden untergebracht, und an dem Fachwerk an den Wänden hingen Hammer und Zangen und verschiedene andere Werkzeuge, die der Forstaufseher für seine Arbeit im Wald brauchte.
Bertille hatte auch noch einen Hühnerhof direkt vor dem Schuppen, in dem Rebhühner, Auerhähne, Fasane, Hühner und Rebhuhnküken laut gackernd durcheinanderliefen. Isabelle und Julien waren sehr großzügig, was die paar Waldvögel betraf, die Pierrot für den Hausgebrauch fing. Genauso war es auch mit dem Brennholz, solange der Vorrat nicht größer war, als was man in einem Winter verbrauchte.
Pierrot hütete die Wälder von Douces, von Escottiers, Varennes, Brossay und den gesamten Wald von Montfort. Er war ein großer, kräftiger Kerl und vertrieb immer wieder einmal Wilderer, die Rebhühner oder Fasane fangen wollten; außerdem hatte er ein wachsames Auge auf Wegelagerer, die sich oft in die umliegenden Wälder flüchteten, wo sie ihr Diebesgut versteckten.
Zur Vervollständigung seiner Aufgaben muss noch erwähnt werden, dass Pierrot immer der Erste war, der merkte, wenn sich ein Wolf oder ein Wildschwein in der Nähe aufhielt. Dann lief er sofort zum Schloss und teilte seinem Herrn mit, dass man umgehend eine Treibjagd veranstalten müsse, damit sich der Schaden in Grenzen hielt.
Wenn Pierrot ins Schloss kam, nutzte er die Gelegenheit meist, um zu berichten, welcher Holzschlag sich gerade zum Fällen von Brennholz eignete, oder was es Neues über Wuchs und Anzahl der Bäume gab. Keiner verstand sich so gut wie er auf die Eichen und Buchen, den Ahorn, die Lärchen und Birken und die Fichten, die hier wuchsen.
Über das Baumfällen, das Austreiben oder das Lichten uralter Bäume – von denen es auf dem Anwesen sehr viele gab – oder auch über das Reinigen von Weihern unterhielt sich Pierrot immer mit Julien. Ging es aber um die Alleen, die den Landsitz durchzogen, besprach er sich mit Isabelle. Die Gräfin war nämlich noch immer eine begeisterte Reiterin und leidenschaftliche Anhängerin von großen Ausflügen und bestand deshalb darauf, dass sich alle Spazier- und Reitwege in bestem Zustand befanden.
Das Haus von Bertille war ziemlich groß. Es war aus Strohlehm gebaut und deshalb sehr bequem und angenehm warm im Vergleich zu vielen anderen Bauernhäusern, die sehr spartanisch eingerichtet waren.
Das sichtbare Gebälk hatte vier dicke Balken und Querbalken, die von Sparren gestützt wurden, und obendrauf einen Speicher zum Trocknen von Zwiebeln, Erbsen und Bohnen. Der Giebel des Hauses war nach Westen ausgerichtet, und aus dem gemauerten Kamin stieg fast immer eine dünne Rauchfahne auf. Das Dach war aus Stroh; Halme und Binsen hatte man abwechselnd miteinander verflochten, damit es dichthielt. Es war tief nach unten gezogen und schützte das Haus vor Regen, Wind und Wetter. Wenn die Sonne im Sommer allzu heiß war, bot es rund ums Haus herum Schatten, und wenn sich Bertille und Pierrot mal eine Pause gönnten, stellten sie ihre Sessel dorthin und
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