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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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vier Jahre lang eingesperrt haben, und diese vier Jahre mit Sicherheit die schlimmsten meines Lebens bleiben werden.«
    Constance nickte verständnisvoll.
    »Kennt Ihr vielleicht die Gräfin de La Trémoille?«, fragte das Mädchen jetzt und ging noch etwas weiter von dem Pferd weg, wobei sie beinahe über die Wagenspur gestolpert wäre.
    »Aber ja! Ich bin ihre Tochter.«
    »Oh!«
    »Was wollt Ihr denn von ihr?«, fragte jetzt Constance; sie hatte den Eindruck, als fürchtete sich die Unbekannte ein bisschen.
    »Von ihr? Nichts.«
    »Kann ich Euch vielleicht sonst irgendwie helfen?«, fragte Constance freundlich.
    «Weiß ich nicht. Kommt drauf an.«
    »Worauf denn?«
    »Ob ich Euch trauen kann. Aber wie soll ich das herausfinden?«
    »Stimmt, das ist wirklich schwierig. Aber vielleicht fangt Ihr einfach mal an und schaut, wie ich reagiere? Wenn Ihr zufrieden seid, könnt Ihr ja weitermachen.«
    »Das ist wirklich ein guter Rat, den ich befolgen werde.« Constance war inzwischen abgestiegen und hielt das Pferd am langen Zügel, während sie auf die Unbekannte zuging.
    »Womit wollt Ihr denn anfangen?«
    Sie schmunzelte vergnügt, und das Mädchen lächelte offen zurück.
    »Ehrlich gesagt will ich gar nicht die Gräfin de La Trémoille sehen, sondern ihren Kutscher.«
    »Anselme!«
    »Ja, genau, Anselme. Er hat mir einmal sehr geholfen, und ich würde ihn gern wiedersehen.«
    »Er ist im Schloss. Aber wollt Ihr nicht lieber zu meiner Mutter? Sie ist ein herzensguter Mensch und könnte Euch bestimmt helfen.«
    »Das glaub ich nicht. An dem Tag, als ich aus dem Kloster geflohen bin, wo man mich gefangen hielt, hat mir Anselme aus der Patsche geholfen. Damals bin ich in die Kutsche Eurer Mutter gestiegen. Sie hat aber sofort den Meister des jungen Manns verständigt, den ich gesucht hatte, und eh ich mich’s versah, war ich wieder in Nantes in der Werkstatt von Meister Yann gelandet, den ich eigentlich nicht wiedersehen wollte.«
    »Aha!«, sagte Constance, die die Geschichte ihrer neuen Bekanntschaft allmählich recht interessant fand. »Wer war denn der junge Mann, den Ihr gesucht habt?«
    »Mein Geliebter. Der jüngere Bruder Eurer Mutter.«
    »Meint Ihr etwa Jacquou? Jacquou, den Weberlehrling. Den Schützling von Meister Coëtivy?«
    »Er ist nicht der Schützling von Meister Coëtivy. Er ist sein Sohn. Das hat mir Jacquou anvertraut, und ich hab sein Geheimnis so lange gehütet wie ich konnte. Jetzt muss ich darüber aber nicht mehr Stillschweigen bewahren, sondern werde jedem sagen, dass Meister Coëtivy ein schlechter Mensch ist.«
    Constance deutete mit dem Finger auf ein Wäldchen.
    »Dahinten könnten wir uns ungestört unterhalten, und Salomé kann sich ein bisschen ausruhen. Ich hab sie ziemlich lange laufen lassen.«
    In dem Wäldchen war es sehr angenehm. Das kühle, klare Wetter sorgte für freundliches Licht, und Farnkraut und weiches Moos bereiteten ihnen einen bequemen Teppich, auf dem sie sich niederließen.
    »Wenn Jacquou dein Geliebter ist, willst du ihn bestimmt wiedersehen?«, fragte Constance und duzte die neue Freundin wie selbstverständlich.
    »Oh ja, und dabei hab ich auf Anselmes Hilfe gezählt. Er wird sich an mich erinnern, da bin ich mir ganz sicher. Vielleicht lässt er mich im Stall schlafen und verrät mich nicht.«
    »Vielleicht«, antwortete Constance.
    Dann überlegte sie kurz und sagte:
    »Ich kenne Jacquou nicht sehr gut, weil ich ihn nur ganz selten gesehen habe. Warum hat Euch meine Mutter getrennt?«
    »Weil sie in Absprache mit Meister Coëtivy dagegen ist, dass sich Jacquou von unserer Liebe ablenken lässt; sie glauben beide, dass er dann kein großer Teppichweber werden kann.«
    »Wie gemein!«, entfuhr es Constance.
    »Ja, und auch noch dumm, weil ich mir nichts mehr wünsche, als dass Jacquou Erfolg hat.«
    Sie hatte die Arme um die Knie geschlungen und stampfte mit den Füßen zornig auf dem Boden.
    »Ich werde Jacquou wiedersehen, und wenn ich dafür mit dem Leben bezahlen muss!«
    Constance sah sie verblüfft an. Meine Güte! Wenn sie auch mit dieser Kraft lieben könnte, wie glücklich wäre sie da! Aber solange sie hier in Doué blieb, würde sie wohl kaum ihrem Märchenprinzen begegnen. Einen Moment hatten sich ihre Gedanken um die eigene Person gedreht, jetzt aber kehrten sie zu dem jungen Mädchen zurück.
    »Wie heißt du eigentlich?«
    »Alix.«
    »Und ich heiße Constance.«
    Die beiden Mädchen schwiegen eine Weile, dann setzte die redselige Constance die

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