Die Seidenstickerin
ruhten sich ein Stündchen aus.
Weil es ein Forsthaus und kein Bauernhaus war, fanden sich hier weder Pflug noch Striegel, keine Sicheln, Hippen oder ähnliche Geräte; da Pierrot aber sehr geschickt war, wenn es um zusätzliche Bequemlichkeit ging, sah man überall Stricke, Zangen, Eimer voller Nägel, Hammer, Ahlen und allerlei Eisenkram. Damit konnte er bauen, reparieren und alles schön herausputzen.
Alix fühlte sich bei diesem rundum zufriedenen Paar sofort wohl und wusste die Bequemlichkeit sehr zu schätzen, über die die beiden im Vergleich zu manch anderen Zeitgenossen verfügten.
Abgesehen vom Stall bestand das Haus aus einem einzigen großen Raum. In der Mitte stand ein langer Tisch mit zwei Holzbänken, und in einer Ecke eine große Truhe mit den Kleidern der beiden, ihren Reisetaschen, Geschirr und Töpfen, Holznäpfen, Tonkrügen und verschiedenen anderen Gerätschaften.
In der Nähe des Herds, über dem an einem Haken der große Kessel hing, in dem immer eine Specksuppe vor sich hin kochte, stand das Bett hinter einem großen Holzrahmen, der bis zu den Querbalken reichte. Am anderen Ende des Raums hatte Bertille für Alix einen Strohsack hingelegt, damit das Mädchen weit genug vom Ehebett entfernt schlafen konnte, weil die verliebten Rangeleien des Paares noch ziemlich geräuschvoll waren. Dazu muss man wissen, dass die beiden erst seit kurzem verheiratet waren und auch noch kein kleines Kind ihre nächtlichen Zärtlichkeiten störte.
Der gestampfte Boden im Haus war mit Granitsand bedeckt, damit sich keine Feuchtigkeit absetzen konnte. Deshalb fühlte sich Alix auf ihrem Lager warm und behaglich. In der ersten Nacht hatte sie so gut geschlafen, dass sie erst spät am Vormittag aufgewacht war; und auch wenn sie kein Kopfkissen aus Haferstreu hatte, war sie doch der beneidenswerteste Mensch der Welt.
Zu ihrer großen Überraschung sah Alix gleich am nächsten Tag Constance wieder, die ihr unbedingt die große Neuigkeit von ihrer bevorstehenden Abreise nach Amboise mitteilen wollte.
Das Mädchen war in heller Aufregung und fiel sich ständig mit nervösen Bewegungen und grundlosem Gelächter selbst ins Wort.
»Halt dich bereit, Alix! Wir fahren in etwa zehn Tagen. Jean nimmt dich in seinem Wagen bis nach Tours mit, wo du dann endlich deinen Jacquou zurückbekommst.«
Sie sollte sich bereithalten! Über diese Anweisung konnte Alix nur lächeln. Was hatte sie schon mitzunehmen? Nichts außer ihrer unbändigen Lust, Jacquou wiederzusehen.
Jetzt ließ sich auch Alix von Constances Freude anstecken. War es möglich, dass sie doch noch ein bisschen Glück hatte an diesem Wendepunkt ihres Lebens? An dem Tag, an dem sie vierzehn? wurde! Als sie allen erzählt hatte, dass sie Geburtstag hatte, herrschte eitle Freude und Bertille verkündete, dass beide Ereignisse unbedingt gefeiert werden müssten. Die guten Neuigkeiten versetzten die jungen Frauen in beste Laune, allen voran Bertille mit ihrem runden, fröhlichen Gesicht, den schelmischen Augen und der üppigen Brust, die Pierrot sehr gern ansah.
Constance und Alix unterhielten sich vergnügt mit Bertille, die auch erst fünfundzwanzig und gerade dabei war, mit den paar Talern, die ihr die Tochter der Gräfin gegeben hatte, ein Festmahl für diesen ereignisreichen Tag zuzubereiten.
Sie klapperte mit ihren Holzschuhen um den Herd und hantierte gleichzeitig mit Pfanne, Rost und Bratspieß, Schöpfkelle und Zinnschüssel. Ein saftiger, luftiger Teig ruhte in einer irdenen Terrine und sollte wohl bald gebacken werden. Man konnte meinen, Bertille wollte all ihre Schätze auffahren, weil sie sogar die Festtagstischdecke über den langen Holztisch gelegt hatte – ein gestärktes Leintuch, das mit vielen kleinen bunten Blumen verziert war, wie die Webteppiche, die damals im Mittelalter Mode waren.
»Nanu! Was ist denn hier los?«, brummelte Pierrot überrascht, als er nachhause kam.
Der Brotkorb war voll mit dicken runden Brotlaiben, und Krüge mit duftenden Kräutern schmückten den Tisch. Lauwarme, frisch gemolkene Ziegenmilch, geräucherte Würstchen und luftgetrockneter Schinken, eine noch warme knusprige Pastete, eine Poularde, die zusammen mit Bohnen und Kohl auf dem Feuer schmorte, und kleine sahnige weiße Käse. All diese Köstlichkeiten prunkten majestätisch auf dem Tisch.
Und was das Geschirr anbelangte, so hatte sich Bertille selbst übertroffen. Sie hatte die schöne weißblaue Keramik vorgeholt, Weinbecher und verzierte runde Platten
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