Die Seidenstickerin
unbequemen Wegen, wo es vor Räubern nur so wimmelt?«
»Ach, daran gewöhnt man sich«, meinte Alix. »Aber wenn ich erst reich bin, kauf ich mir ein Muli, dann ist es nicht mehr so anstrengend.«
»Du willst doch nicht etwa dein ganzes Leben herumwandern!«, schimpfte Bertille und setzte sich wieder zu ihrem Mann, der sofort seine Hand auf ihr Knie legte.
»Nein, nein, natürlich nicht!«, sagte das Mädchen. »Wenn ich erst bei meinem Jacquou bin, lern ich das Weberhandwerk; ich weiß, dass ich sehr gut sticken kann, und das hilft mir bestimmt weiter, auch wenn es eine ganz andere Technik ist.«
»Aha! Du willst also eine Weberin werden?«
»Ja! Ich kann auch schon die Kartons zeichnen, die als Vorlage dienen.«
»Du kannst zeichnen! Das ist ja allerhand!«, rief Bertille erstaunt, während Pierrot einen großen Schluck von dem starken Wein nahm, der ihn so verliebt machte.
»Aber ja«, antwortete Alix ganz stolz, als sie merkte, dass Constance sie mit wachsender Bewunderung ansah; sie hatte Alix noch nicht gut genug kennen gelernt, um sich ein Bild von ihr zu machen. Und bisher war es immer nur um ihren Geliebten Jacquou gegangen.
»Ich bin von Beruf Stickerin, und ich habe gelernt, Motive zu zeichnen, die sogar Meister Yann sehr gut gefallen haben. Er hat sie oft verwendet, um seine Szenen zusammenzustellen.«
»So so, und heiratest du deinen Jacquou denn dann auch, wenn du ihn gefunden hast?«, meldete sich schließlich auch Pierrot zu Wort, während er mit seiner kräftigen Hand Bertilles Rock hochschieben wollte.
Bertille merkte, dass sie gleich mit nackten Knien dasitzen würde und hinderte ihn diesmal daran weiterzumachen, indem sie seine Hand auf den Tisch legte.
»Soll ich dir mal was sagen, Pierrot!«, meinte sie und schob ihn ein Stück vom Tisch weg. »Du hast so viel gegessen, dass du ganz rot im Gesicht bist. Geh ein bisschen schlafen. Wir Frauen wollen unter uns sein.«
Er gehorchte ohne weiteres, wohl weil ihn schon ein leichtes Schnarchen überkam; und als ihm Bertille ins Bett geholfen hatte, war er sofort eingeschlafen.
»Ja, wir werden heiraten«, bekräftigte Alix, während sie im Stillen dachte, dass sie es mit ihren kühnen Hoffnungen vielleicht doch ein wenig weit trieb.
Sie wusste natürlich, dass der Schatten von Meister Coëtivy über ihnen schwebte und dass sie diesmal vorsichtiger sein musste als beim letzten Mal, damit sie nicht gleich wieder in der Werkstatt von Meister Yann landete.
»Bist du nicht ein bisschen jung zum Heiraten? Vielleicht wartest du lieber, bis du sechzehn wirst?«
»Ach was! Mich hält doch jeder für mindestens achtzehn. Ihr etwa nicht, Dame Bertille?«
Die Frau des Forstaufsehers lächelte vergnügt. Auf einmal sagte die Kleine doch »Dame Bertille« zu ihr! Darüber amüsierte sie sich köstlich. Zu schade, dass Pierrot schlief und das nicht gehört hatte!
»Stimmt schon – wie vierzehn schaust du nicht aus!«, sagte sie und sah sich das junge Mädchen an. »Aber du wirst schon noch älter. Dafür sorgt das Leben schneller als du denkst.«
Dann wandte sie sich an Constance.
»Und wie steht’s mit dir, mein Herzchen? Meinst du, du findest da in Amboise den Mann deiner Träume?«
Bertille hatte beim Essen ordentlich zugelangt und alles reichlich begossen; nun juckte es sie, und sie ließ sich ziemlich gehen. Sonst sagte sie »Demoiselle Constance« hier und »Demoiselle Constance« da. Aber zum Glück gefiel »mein Herzchen« der Tochter der Gräfin, die nun auch laut lachte.
»Bertille«, kreischte sie, »wenn es dem Mann meiner Träume hier gefällt, komm ich dich mit ihm besuchen.«
»Da wär ich aber sehr geschmeichelt. Und du, meine Kleine«, sagte sie zu Alix, »musst mir deinen Jacquou auch vorstellen, wenn ihr verheiratet seid. Ach, wenn du meinen Pierrot gesehen hättest! Er war so schön an unserem Hochzeitstag. Und konnte es kaum erwarten, mich zu entjungfern!« Dazu machte sie eine eindeutige Handbewegung.
»Ja, er hatte es ganz schön eilig! Schließlich hat er auch genug Erfahrung mit Frauen gehabt. Aber seit wir so glücklich zusammen waren, hat er keine andere mehr angeschaut. Da war nur noch ich wichtig. Hast du schon mal einen Jungen geküsst, mein Herzchen?«, fragte sie und wandte sich jetzt wieder an Constance.
»Oh!«, sagte die nur, weil sie keine Antwort wusste.
»Ich hab jedenfalls Jacquou geküsst, und das war so schön, dass ich immer wieder dran denken muss! Manchmal kann ich deswegen gar nicht
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