Die Seidenstickerin
alte Gräfin Louise eingeholt.
»Kommt, Louise, gehen wir zu Antoinette. Bestimmt hat sie alles für Charles’ Abreise vorbereitet. Versuchen wir von meinem Sohn selbst mehr zu erfahren.«
Einige Minuten später saßen sie mit Jeanne zusammen, die ihrer kleinen, unaufmerksamen Tochter einen komplizierten Stickstich zu erklären versuchte.
Charles, der sich in der Gesellschaft der drei Frauen immer sehr wohl fühlte und dessen Glück vollkommen schien, wenn auch noch seine Mutter dazu kam, war bester Laune.
Louise erinnerte sich noch sehr gut daran, wie Antoinette an diesem Morgen aus dem Rechnungsbuch aufsah, das auf ihren Knien lag. Sie war damit beschäftigt, die Ausgaben zusammenzurechnen, die noch vor der Abreise des Grafen getätigt werden mussten, und hatte festgestellt:
»Testard verlangt keinen Lohn, Charles, weil er Euer Gast ist. Aber Imbert gibt Madeleine und Louise Orgelunterricht; dafür sollte man ihn eigentlich bezahlen.«
»Ihr seid allzu großzügig«, mischte sich die alte Gräfin ein. »Macht er das denn nicht im Gegenzug dafür, dass er hier bei uns wohnen darf?«
»Wie Ihr meint, Dame Marguerite«, hatte Antoinette zugegeben, »wenn es so ist, können wir diese Frage beiseitelassen.«
»Denkt lieber dran, dass die Ernte eingefahren werden muss, mein Kind.«
»Unsere Leute beginnen morgen mit der Ernte«, hatte Antoinette geantwortet, »außerdem werden der Speck, der Schinken und die Würste eingesalzen, damit wir einen Vorrat für den Winter haben.«
Mittlerweile hatte Antoinette das Rechnungsbuch geschlossen und weggelegt.
»Ich möchte außerdem neue Milchtöpfe in den Küchen haben und die Korbwaren erneuern, die wirklich sehr abgenutzt sind.«
»Und ich möchte ein neues Ballspiel und Seidenbänder für meine Häubchen!«, rief Souveraine.
»Ruhig, meine Kleine, deine Mutter entscheidet, was du brauchst«, hatte sie die alte Dame entschieden zurechtgewiesen.
Jeanne hatte ihre Tochter angelächelt und sich dann wieder an den abreisebereiten Grafen d’Angoulême gewandt.
»Ich werde sehr traurig sein, wenn Ihr weg seid, mein Freund.«
»Also, ich muss schon sagen, was redet Ihr denn da, Jeanne!«, hatte Antoinette protestiert. »Glaubt Ihr etwa, Louise und ich sind nicht traurig? Das ist doch wirklich sehr egoistisch von Euch! Ich sorge hier dafür, dass es unser Herr bequem hat, kümmere mich um Samtmantel, Ledersenkel und Ersatzhosen, und Ihr denkt einfach nur an Euch!«
Dieser Ausbruch wurde mit fröhlichem Gelächter beantwortet. Charles hatte Souveraine auf den Arm genommen und gesagt:
»Du kriegst alles, was du dir wünschst, mein Herz. Schöne Bälle und hübsche Hutbänder.«
»Aber von welchem Geld, Charles?«, hatte Antoinette gerufen, und die Familie d’Angoulême schüttelte sich wieder vor Lachen.
»Großer Gott! Dann müssen wir eben irgendwelchen wertvollen Kram aus dem Schloss verkaufen oder die Bibliothek um einige seltene Handschriften erleichtern, damit wir an Geld kommen. Antoinette hat Recht. Wir haben nicht die nötigen Taler, um dir neue Spielsachen zu kaufen und deine Garderobe zu erneuern, Souveraine«, sagte die Gräfin.
»Papa bringt uns aber Geld von seiner Reise mit«, beschloss das kleine Mädchen.
»Souveraine hat Recht«, schnitt ihr Charles ungewohnt ernst das Wort ab, »ich werde den restlichen Familienschmuck verkaufen.«
»Und wenn Ihr zurückkommt, lassen wir das Dach vom Schloss reparieren«, unterstützte ihn Antoinette.
Louise musste zugeben, dass Antoinette de Polignac, die nicht mehr ganz so jung war wie sie selbst, sich vorbildlich um all diese praktischen Dinge kümmerte, die sie noch nie interessiert hatten.
Antoinette war groß und schmal und noch immer eine schlanke Frau mit üppiger Haarpracht, deren seidenweiches Schwarz nur von ihren samtschwarzen Augen übertroffen wurde. Sie war sehr entgegenkommend, ihr großer schmaler Mund schien stets zu einem Lächeln oder einem freundlichen Wort bereit, und ihr zierliches Stupsnäschen erschnupperte mit dem größten Vergnügen jeden noch so schwachen Duft. Wenn ihr Gesicht auch nicht mehr ganz so jugendlich strahlte, hatte sie sich doch ihren unleugbaren Charme bewahrt, den sie sehr gut zur Geltung zu bringen wusste.
Den Kontrast dazu bildete Jeanne – was wohl nicht weiter erstaunlich war, weil der Graf d’Angoulême sich vermutlich ganz bewusst so entschieden hatte. Jeanne war eine blonde Schönheit mit üppigen Rundungen, einer Engelsmiene und vollen Lippen. Und sie
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