Die Seidenstickerin
Rebellion, jetzt wo Charles’ Cousin König von Frankreich ist!«
»Ach was!«, machte die alte Dame und klopfte energisch mit ihrem Stock auf den Boden. »Anne de Beaujeu hegt noch immer heftigen Groll gegen Euren Gatten und hat ihn viel zu lange in Ungnade gelassen, als dass sich diese angespannte Beziehung verbessern ließe. Die Notabeln, die sich samt und sonders nach dem ›Verrückten Krieg‹, an dem auch Charles und sein Cousin Louis – gegen die Beaujeu – teilgenommen haben, nach Hause zurückgezogen hatten, verlassen ihre Güter.«
»Inwiefern findet Ihr das bedrohlich?«
Marguerite de Rohan schüttelte den Kopf.
»Die Beaujeu versteht sich bestens mit Anne de Bretagne«, antwortete sie und verzog ihr Gesicht ungeduldig. »Und diese Anne weiß sehr wohl, dass Euer Gatte Charles, durch und durch ein echter Valois, jetzt in der Rangfolge im Königreich an zweiter Stelle steht.«
Louise zuckte erschrocken zusammen wie jedes Mal, wenn jemand in ihrer Gegenwart von der Thronfolge in Frankreich sprach. Die verrückte Prophezeiung des alten François de Paule quälte sie ständig, auch wenn sie keiner Menschenseele davon erzählt hatte.
»Sehr richtig, Mutter«, wagte sie zu sagen und warf einen Blick zu der alten Frau, um herauszufinden, ob sie sich weiter auf diesem gefährlichen Terrain bewegen konnte.
Als sie sah, dass die Andeutung eines spöttischen Lächelns ihren zahnlosen Mund umspielte, fuhr sie etwas beruhigter fort:
»Ihr macht Euch verständliche Sorgen um Charles, Mutter. Wenn aber Louis d’Orléans sterben sollte, nimmt Euer Sohn seinen Platz ein. Das müsste ihn doch vernünftig werden lassen.«
»Ach was! Dieser Schwachkopf von Louis hat viel zu viel Einfluss auf Charles. Und Euer Gatte wird sich wohl kaum mit beinahe fünfzig Jahren ändern.«
»Auch wenn Louis d’Orléans allzu oft Einfluss auf seinen Cousin gehabt hat, ist es jetzt doch nicht mehr Anne de Beaujeu, die in Frankreich das Heft führt«, wandte Louise höflich, aber nachdrücklich ein, weil sie beweisen wollte, wie absurd diese Annahme war. »Jetzt hat Louis die ganze Macht.«
»Dabei vergesst Ihr die Herzogin Anne, seine Gattin, mein Kind. Man sagt, er sei so in sie vernarrt, dass sie alles von ihm bekommt, was sie verlangt. Und ich versichere Euch«, schimpfte sie weiter, »diese Frau kann meinen Sohn nicht leiden!«
Dabei fuchtelte sie erneut wie wild mit ihrem Gehstock herum, ehe sie sich wieder darauf stützte.
»Wir sind ziemlich weit weg vom Thron!«, sagte sie und funkelte ihre Schwiegertochter mit ihren schwarzen Augen an.
Wenn Louise eine Wespe gestochen hätte, hätte sie nicht heftiger reagieren können, weshalb sie sich zu sagen beeilte:
»Aber, Mutter, Ihr wisst doch, dass Anne de Bretagne nur gebrechliche Kinder kriegen kann!«
»Na und!«, gab die alte Frau zurück und hämmerte wieder mit ihrem Stock auf den Boden. »Glaubt Ihr etwa, es würde mir nicht gefallen, wenn eine Krone das Haupt meines Sohnes zieren würde? Aber die Kinder, von denen Ihr da sprecht, meine Tochter, waren von dem Schwächling Charles VIII. Die nächsten Kinder, die sie kriegt, sind von Louis XII.«
Madeleine umrundete die alte Gräfin und bückte sich zu ihr hinunter, damit sie näher an ihr Ohr kam.
»In den ganzen zwanzig Jahren seiner Ehe mit der armen Jeanne hat er kein einziges Kind bekommen.«
»Schreit nicht so, Kindchen, ich verstehe Euch sehr gut! Nach dem Prozess der armen Jeanne weiß doch jetzt jeder, dass ihre körperlichen Missbildungen daran schuld waren, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Das gilt aber natürlich nicht für Anne de Bretagne.«
Jetzt blickte Testard von seiner Arbeit auf und sah die Frauen mit seinen porzellanblauen Augen groß an.
»Lasst den Monsieur d’Angoulême ruhig gehen, Dame Marguerite, er kehrt bestimmt reich an Erfahrungen zurück. Außerdem bringt Macht auch immer Reichtum mit sich«, fügte er hinzu, weil ihn das Gespräch nun auch interessierte.
»Unsinn! Das sind nichts als schöne Worte, mein lieber Herr Künstler, und ich erlebe bestimmt nicht mehr, dass sie wahr werden.«
Madeleine seufzte. Das wohlgeratene, wenn auch uneheliche Mädchen schätzte diesen Vater, der ihm nichts abschlagen konnte, und sie hoffte und betete, dass ihm nichts Böses zustoßen würde.
Die Damen verabschiedeten sich von Meister Testard, der den schweren Bronzeleuchter an den Tischrand schob und seine Entwürfe ausbreitete, ehe er sich wieder an die Arbeit machte.
Schnell hatte die
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