Die Seidenstickerin
verstand es besser als irgendjemand sonst, ihren Mangel an Temperament in laszive Sinnlichkeit zu verwandeln.
Antoinette hatte sich zwar nie echte Hoffnungen gemacht, Gräfin d’Angoulême zu werden, sich aber doch bemüht, ihre beiden Rivalinnen zu überflügeln, wenn es um Charles’ Wohlbefinden ging. Sie umsorgte ihn mit der größten Aufmerksamkeit, las ihm jeden Wunsch von den Augen ab und kommentierte für ihn mit einem erstaunlichen Scharfsinn alle Ereignisse des Schlosslebens, die anderen vielleicht entgangen wären. Diese Bemerkungen nahm er allerdings auch nur mit halbem Ohr zur Kenntnis, weil er wusste, dass auch ohne sein Zutun alles bestens erledigt wurde.
An diesem Abend war Antoinette allerdings sehr enttäuscht, was sie ihm jedoch auf keinen Fall gezeigt hätte. Sie hatte nur eine kaum wahrnehmbare Geste der Verärgerung angedeutet, als sich Charles an Louise wandte und ihr unauffällig zu verstehen gab, dass diese Nacht ihr gehören sollte.
So war die Freude an dem gemeinsamen Abendessen ein wenig getrübt. Aber wie auch immer sich Charles entschieden hätte – die beiden leer ausgegangenen Frauen wären nie zufrieden gewesen. Oft genug hatte dieses Spiel schon zu kleinen Reibereien geführt.
An diesem Abend hätte sich sogar Marguerite de Rohan gewünscht, dass Antoinette die Glückliche gewesen wäre. Obwohl sie alle drei Frauen wegen ihrer unterschiedlichen Vorzüge schätzte, war ihr Antoinette doch die Liebste, weil sie ihren Sohn vorbehaltlos liebte.
Immerhin lebten Antoinette und Jeanne nun schon seit mehr als zwanzig Jahren – also seit dem Tod des alten Grafen d’Angoulême – in schönster Eintracht zusammen, die keine Eifersucht je bedroht hatte.
Dass die ein wenig träge Jeanne sich so einfach mit einer untergeordneten Position abgefunden hatte, lag vor allem daran, dass ihr Ruhe, Bequemlichkeit und Wohlbefinden über alles gingen, was Antoinette mit ihrer scharfsichtigen Art schnell herausgefunden hatte. Jeannes Eintreffen hatte sie deshalb nur insofern gestört, als sie nicht mehr ganz so oft das Bett mit Charles teilen konnte.
Natürlich hatten sich beide Frauen einfühlsam der neuen Gräfin fügen müssen, umso mehr noch, als Louise wegen ihrer Jugend für sie keine echte Konkurrenz darstellte.
Oh ja! An diesen letzten Abend mit Charles konnte sich Louise sehr gut erinnern. Als Marguerite de Rohan sich verabschiedet hatte, um zu Bett zu gehen, rief Jeanne nach Dame Andrée und erteilte ihr die üblichen Anweisungen.
»Bringt Souveraine zu Bett«, hatte sie gesagt und ihre Handarbeit auf das Tischchen vor sich gelegt, »und achtet darauf, dass sie sich nicht erkältet. Meine Tochter meint, sobald es etwas wärmer wird, müsste sie ihre Bettvorhänge zurückziehen und ihr Federbett auf den Boden werfen.«
»Nachts ist es so heiß, Mama, und dann kann ich nicht schlafen«, wandte Souveraine lebhaft ein.
»Dann bekommst du eben Bettvorhänge aus Baumwolle und eine leichtere Decke.«
»Macht Euch keine Sorgen, Dame Jeanne«, sagte die Amme, »ich gebe ihr einen guten Kräutertee zu trinken, dann schläft sie wie ein Murmeltier.«
Jeanne gab ihrer Tochter einen Gutenachtkuss.
»Geh jetzt schlafen, Souveraine, ich sehe noch einmal nach dir, ehe ich zu Bett gehe.«
Dann hatte sie ihren Oberkörper aufgerichtet, wodurch ihre Brüste, die sie grundsätzlich nur halb hinter einem gewagten Dekollete verbarg, noch besser zur Geltung kamen, und sich an Antoinette gewandt und gefragt:
»Hättet Ihr vielleicht noch Lust auf eine Partie Schach?«
»Sehr gern, Jeanne.«
Sodann hatten die beiden Charles und Louise mit einem sehnsüchtigen Seufzer nachgesehen, wie sie den großen Salon verließen, und es sich dann in ihren Sesseln bequem gemacht.
Es war schon lange dunkel, und die Nachtfalter umkreisten die brennenden Fackeln und Öllampen mit ihrem sanften, flackernden Licht.
In Louises Zimmer strömte die laue Abendluft durch das weit geöffnete Flügelfenster herein. Catherine, die junge Zofe, hatte bereits die Bettvorhänge zurückgezogen und die Bettdecken aufgeschlagen.
Das Schlafzimmer war groß, hell und luftig und sehr geschmackvoll eingerichtet.
Auf der Kredenz mit ihren zwei Ablageflächen konnte man die Teller abstellen, wenn die junge Gräfin auf ihrem Zimmer zu speisen wünschte. In aus Holz geschnitzten Truhen und Kästchen mit kunstvollen Eisenschlössern bewahrte sie ihren Schmuck und persönliche Kleinigkeiten, ihre Lieblingsbücher und ihr Tagebuch auf. Zwei
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