Die Seidenstickerin
funktionieren«, murmelte Alix vor sich hin, obwohl sie nicht recht daran glauben wollte, dass der Plan wirklich gelingen würde.
»Das gilt auch für den Rest. Ich habe dir doch gesagt, dass du keine Angst haben musst. Ich weiß, dass die Werkstatt morgen geschlossen hat, weil Feiertag ist. Die ganze Sache geht an diesem Tag über die Bühne, so dass ihr am nächsten Morgen zurück sein könnt, ohne dass irgendjemandem etwas auffällt.«
»Das ist ja wunderbar!«, sagte Alix, »es klingt wie ein Märchen. Wie kann ich Euch nur für alles danken?«
»Stell mir jetzt bitte keine Fragen mehr.«
»Doch, Monseigneur Jean, nur noch eine!«
Und sie wiederholte ihre Frage: »Wie kann ich Euch nur danken?«
»Ach, kleine Alix, es gibt nur eins, womit du mir danken kannst – nämlich wenn du Jacquou dein Leben lang liebst.«
»Aber …«, wollte das Mädchen sagen.
»Du willst doch wissen, wie du mir danken kannst. Und ich sage dir, das geht nur über Jacquou. Liebe ihn, und wünsche ihm alles Glück, das er verdient. Tu ihm nie etwas Böses an, und unterstütze ihn mutig, tatkräftig und entschlossen in allem, was er unternimmt. Hast du mich verstanden?«
Ja, Alix hatte ihn verstanden; Jean hatte sich ja mehr als klar ausgedrückt. Und doch lag ein düsterer Schatten auf der Seele des Kardinals. Ein Schatten, der so groß und schwer war, dass er ihn vergraben musste und nie wieder auftauchen lassen durfte. Alix sah ihn mit ihren großen goldenen Augen unverwandt an. Aber wie hätte ihr Jean seine große Sehnsucht erklären sollen? Sein Verlangen, von dem niemand etwas ahnte! Wie gern wäre er der Vater von Jacquou gewesen.
Er seufzte laut und sagte mit tränenblinden Augen leise zu sich:
»Ja! Du sollst ihn lieben, wie ich seine Mutter bis zu ihrem Tod geliebt habe.«
Aber sie hatte seine Worte nicht verstanden.
Der Kardinal hatte alles richtig vorausgesagt, und dieser Tag verging wie im Fluge.
Eine unvergessliche Erinnerung für die kleine Alix, die vor Freude strahlte und deren Herz überfloss vor lauter Glück, das sie noch gar nicht richtig fassen konnte, um es so richtig auszukosten.
Ein Tag, an dem die Sekunden in Schwindel erregender Geschwindigkeit dahingerast waren und an dem noch kalten Winterhimmel eine leuchtende Spur hinterlassen hatten.
Jacquou und Alix strahlten um die Wette, und sie übertraf ihn dabei noch, weil sie wusste, dass man ihr trotz ihrer Jugend eine Last auf die Schultern gelegt hatte, von der sie nicht ein einziges Gramm missen mochte. Sie hob den Kopf und hielt sich kerzengerade vor Stolz und Freude über diesen Augenblick. All die traurigen Jahre mit ihren vielen großen und kleinen Widrigkeiten und Schwierigkeiten, die ihre Hoffnungen zerstört hatten, aller Kummer und alle Ängste, die sie in schrecklichen Albträumen immer wieder erneut durchlebt hatte, dieses ganze vergangene Leben war auf einmal wie weggeblasen.
Alix war glücklich, unbeschreiblich glücklich. Ihr neues Leben war nicht länger von Zweifeln geprägt, sondern von ihrer Liebe zu Jacquou und dem Wunsch ihr Leben mit ihm zu teilen. So vieles nahm jetzt in ihren Gedanken Gestalt an, unzählige neue Ideen sollten sie leiten und ihren Geist nähren. Sie wollte lernen, arbeiten und eine große Weberin werden, vielleicht sogar eine Künstlerin oder eine Geschäftsfrau – aber immer nur mit dem einen Ziel, Jacquou zu helfen, ihn zu verstehen und seinen gesellschaftlichen Aufstieg zu unterstützen.
Die Kirche oder vielmehr kleine Kapelle, die Monseigneur Jean ausgesucht hatte, war die von Germigny-des-Prés in der Nähe von Saint-Benoît-sur-Loire. Weit genug entfernt von Tours und Amboise würde sich hierher wohl kein Neugieriger verirren und somit auch niemand die Geschichte von den zwei jungen Verliebten erzählen können, die ein Kardinal höchstpersönlich vermählen wollte, der zu allem Überfluss auch noch aus dem Vatikan kam.
Constance, die möglichst viel Vertrauliches über die Liebesgeschichte ihrer neuen Freundin erfahren wollte, und Arnold, der Jacquou nie verraten würde, waren ihre Trauzeugen.
Seit sie die Kapelle betreten hatte, die zur Zeit der Karolinger erbaut worden war, sah Alix zu dem Deckengemälde empor. Die Bilder im Inneren der Kirche waren noch immer von strahlender Schönheit, schlicht und beeindruckend zugleich. Eines Tages würde sie auf einen Karton, wie ihn die Weber verwendeten, einen ebenso schönen Engel wie diesen hier malen, der auf sie herunterschaute, ganz in Gold
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