Die Seidenweberin: Roman (German Edition)
Vater …«
»Ich wünsche nicht, über diese Angelegenheit zu sprechen. Und jetzt lass mich schlafen«, schnitt er ihr ungewollt barsch den Satz ab. Seine Worte waren endgültig. Mit einer heftigen Bewegung drehte er sich zur Wand und ließ Fygen mit all ihren Fragen, ihrer Wut und den Zweifeln stehen.
Es wurde die erste Nacht seit ihrer Hochzeit, in der Fygen sich nicht zum Schlafen eng an ihren Mann kuschelte und ihren Kopf auf seine Schulter bettete.
7. Kapitel
F rau Lützenkirchen, da ist Besuch für Euch!«
Wieder klopfte es an die Tür zu ihrer Schlafstube, und Marens singende Stimme ließ nicht locker: »Da ist die Frau Ime Hofe. Was soll ich der denn sagen?«
»Ist gut, Maren, ich komme schon.« Fygens Antwort klang schleppend. Mit Mühe streckte sie die Füße aus dem Bett, jede Bewegung war anstrengend. Sie war viel zu müde, um sich zu bewegen, zu müde aufzustehen, zu müde, um zu arbeiten, zu müde, um zu leben. Warum konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sie wollte nur für immer hier in ihrem Bett liegen bleiben, nichts hören und niemand sehen.
Schwungvoll wurde die Zimmertür aufgerissen. Energisch trat Katryn über die Schwelle und kam zu ihr ans Bett. »Was ist los mit dir?«, fragte sie besorgt. »Ich war schon zweimal hier, aber man hat mich nicht zu dir gelassen. Immer hieß es, du seiest unpässlich. Langsam mache ich mir Sorgen.« Zwischen ihren braunen Augen stand eine steile Furche, und sie musterte die Freundin eingehend. Fygen war blass. Die sonst so gesunde Haut war fahl, die Wangen eingefallen, die geschwungenen Lippen blutleer, und tiefe Schatten lagen unter ihren Augen.
»Bist du krank? Hast du Schmerzen? Fieber?«, wollte Katryn wissen.
Fygen schüttelte den Kopf. Tränen stiegen ihr in die Augen, und ihre Kehle wurde eng. Sie fühlte sich elend, hätte weinen mögen, doch sie vermochte kein Wort hervorzubringen.
Erschreckt ließ sich Katryn neben ihr auf das Bett sinken und schloss die Freundin in die Arme. »Was ist es? Sag mir, warum bist du so traurig? Was ist geschehen?«
Fygen schluckt ein paar Mal kläglich, dann brach es aus ihr heraus. Unter Tränen, und immer wieder unterbrochen von heftigem Schluchzen, erzählte sie Katryn vom Tod ihres Vaters, den Gerüchten, die sich darum rankten, und schließlich von dem unseligen Abend vor Peters Abreise, als sie die Eintragungen entdeckt und ihn zur Rede gestellt hatte. Am Morgen danach hatte sie das Bett nicht verlassen können, um ihn zu verabschieden, als er in aller Frühe, nur in Begleitung eines jungen Kaufmannsknechtes, das Haus verließ. Sie hatte es einfach nicht vermocht, ihm Lebewohl zu sagen, und jetzt schämte sie sich dafür.
Fygen beruhigte sich wieder. Es hatte ihr gut getan, der Freundin das Herz auszuschütten. Lange saßen die beiden jungen Frauen schweigend da und hielten einander bei der Hand. Jede hing ihren eigenen Gedanken nach.
Katryn fasste ihre Gedanken schließlich zusammen: »Es passt nicht zu Peter! Ich habe ihn als anständigen, aufrechten Mann kennengelernt.« Die Worte schwebten wie Kristalle in der Luft. Klar und hoffnungsvoll.
»Aber wenn er nichts mit der Sache zu tun hat, warum sagt er es mir dann nicht?«
»Vielleicht um seinen Vater nicht zu belasten?«
»Meinst du?«, fragte Fygen erstaunt. So hatte sie die Sache noch nicht betrachtet.
»Vielleicht ist das der Schlüssel zum Ganzen«, sagte Katryn.
»Was weißt du über Peters Vater?«, wollte Fygen wissen.
»Nur das, was alle wissen: Er war ein reicher Kaufmann, stand aber in nicht allzu gutem Ruf. Vor einigen Jahren ist er auf eine Handelsreise gegangen und nie zurückgekehrt. Man hat ihn für tot erklärt. Doch böse Zungen behaupteten, er wäre nach wie vor am Leben, hätte aber gute Gründe, nicht nach Köln zurückzukehren.«
Das würde zusammenpassen. Fygen spürte, wie erneut Zorn in ihr aufstieg. Zorn gegen diesen unbekannten Mann, ihren Schwiegervater. Krampfhaft ballte sie die Hände zu Fäusten und versuchte sich zu beherrschen. »Und was ist mit dem Rest der Familie Lützenkirchen?«, fragte sie.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, antwortete Katryn.
Es schien, als hätten sich die Bewohner der ganzen Stadt an diesem windigen, regnerischen Vormittag im Februar versammelt. Alle wollten die prächtigen Hilfstruppen bewundern und verabschieden, die heute von Köln als Unterstützung nach Neuss entsandt wurden. Noch immer belagerte Karl von Burgund die kleine Stadt, und Köln setzte große Hoffnung in
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