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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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halten konnte, nach einer weiteren schaffte er es bereits, allein aufrecht zu sitzen. Vertrug sein Magen zu Beginn nur kräftigende Brühe, so aß er nach einer Weile bereits wieder Brei, dann feste Speisen, und nach und nach entwickelte er einen so gesunden Appetit, dass der Gastwirt voller Freude über Peters Zuspruch immer neue Speisen und Arten der Zubereitung für seinen Gast ersann und das Essen voller Stolz persönlich in ihre Kammer hinauftrug. Nach ein paar Wochen konnte Peter, von Fygen gestützt, zum ersten Mal sein Krankenzimmer verlassen und die Treppe zum Schankraum hinabsteigen, um dort seine Mahlzeit an einem zur Feier des Tages besonders prächtig gedeckten Tisch einzunehmen.
    Dann war es nur mehr ein kleiner Schritt, bis Peter und Fygen erst kurze, dann immer ausgedehntere Spaziergänge am Ufer und durch die Stadt unternahmen.
    Hier in Dordrecht erreichte sie auch die Nachricht vom Ende des Neusser Krieges. Fast ein Jahr hatten die Neusser der Belagerung durch die Burgunderschen standgehalten, bis der Kaiser endlich Anfang Juni mit seinem Reichsheer vor Neuss gezogen war. Es kam zu Verhandlungen, allerdings ohne die Beteiligung von Köln, die bereits am fünften Juni in einem vorläufigen Friedensvertrag gipfelten, in dem sich der Burgunderherzog zum Abbruch seines Unternehmens bereit erklärte.
    »Gerissener Hund!«, kommentierte Peter die Geschehnisse und zollte damit Kaiser Friedrich Respekt für seinen geschickten, strategischen Weitblick, so kümmerlich dessen militärische Tatkraft auch gewirkt hatte. Immerhin hatte er zehn ganze Monate gebraucht, bis er sein Heer endlich vor Neuss geführt hatte, und auch dann hatte er dem Burgunder noch das Feld überlassen. Karl konnte ehrenvoll abziehen, zwar ohne Neuss erobert zu haben, jedoch auch ungeschlagen, was sein empfindliches Ehrgefühl schonte. Einziges Zugeständnis des Burgunderherzogs war die Einwilligung in die Verehelichung seiner Tochter und Alleinerbin Maria mit des Kaisers Sohn Maximilian, eine Verbindung, die Friedrich seit langem anstrebte. Und der Kölner Sache wurde kein Schaden getan.
    »Ein geschlagenes Burgund wäre des Kaisers Zielen höchst abträglich. Wäre es doch eine zu leichte Beute für den König Frankreichs, Friedrichs eigentlichen, unerbittlichen Gegner«, erklärte Peter Fygen. »Denn der Kaiser zielt nach wie vor auf den Heimfall Burgunds an das Reich, und das hat er nun sehr geschickt eingefädelt.« Und nach einer kurzen Pause fügte er brummend hinzu: »Und wir zahlen dafür die Rechnung.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Nun, es heißt, die Kriegskosten belaufen sich auf achthunderttausend Gulden. Das ruiniert die kölnische Stadtkasse auf Jahre hinaus.«
    »Aber die wird doch der Kaiser sicher ersetzen.«
    »Friedrich? Im Leben nicht! Der speist uns mit irgendwelchen wertlosen Rechten oder Versprechungen ab. Wir werden es erleben«, prophezeite Peter düster.

    Die frische Seeluft, der Sonnenschein und die Bewegung bekamen Peter gut. Sein Gesicht nahm wieder eine gesunde Farbe an, und Fygen genoss das unbeschwerte Zusammensein mit ihrem Mann. Nie zuvor hatten sie so viel miteinander geredet und gelacht, und fast wünschte sie, die Zeit in Dordrecht möge nicht zu Ende gehen.
    An einem dieser unbeschwerten Nachmittage wagte Fygen endlich, Peter von ihrem Besuch bei Augusta zu berichten. Gespannt erwartete sie seine Reaktion, und prompt, wie sie gemutmaßt hatte, verdüsterten sich seine Züge. Schon befürchtete sie, Peter würde sich wieder verschließen und von ihr abwenden. War es ein Fehler gewesen, das leidige Thema anzusprechen? Doch irgendwann mussten sie darüber sprechen, sie konnten es nicht immer vor sich herschieben. Viel zu lange schon schwebte es wie eine Gewitterwolke über ihnen. Wenn sie es jetzt nicht schafften, die Missverständnisse zu bereinigen, würden diese auf ewig zwischen ihnen stehen.
    Peter schwieg lange Zeit, starrte zu Boden, und Fygen sah, wie die Gedanken in ihm kämpften. Doch dann erhellte sich sein Gesicht, er hob seinen Blick und begann zu sprechen. Vieles von dem, was er sagte, wusste Fygen bereits, doch sie ließ ihn weitersprechen, denn sie wollte die Wahrheit aus seinem Mund hören.
    »In der Tat hat mein Vater große Schuld auf sich geladen«, schloss Peter. »Und du kannst sicher sein, dass ich sein Verhalten zutiefst verachte. Doch nie hätte ich ihn öffentlich verurteilt. Nicht nur weil ich an mein Wort gebunden war, sondern auch weil er mein Vater ist. Glaub mir,

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