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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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allem wollene Tuche aus London und Getreide geladen, die für Köln bestimmt waren. An Bord herrschte rege Geschäftigkeit. Fässer wurden festgezurrt und ein paar weitere Ballen unter Deck verstaut. Dann wurden Seile herabgeworfen und an einem Pferdegespann vertäut, das auf dem Treidelpfad stand und unruhig mit den Hufen scharrte. Rauhe Männer mit wettergegerbter Haut riefen einander Befehle zu, die Fygen nicht verstand. Neugierig betrachtete Fygen das Treiben und wartete geduldig, bis einer der Männer sie bemerkte.
    »He, du da! Wenn du mitkommen willst, dann beeil dich!«, rief er Fygen zu.
    Hastig schlitterte Fygen die Böschung zum Wasser hinab. Das Bündel rutschte ihr von der Schulter und wäre um ein Haar im Fluss gelandet, wenn der Flussschiffer es nicht in letzter Sekunde mit dem Fuß gestoppt hätte.
    Mit hochrotem Kopf hob Fygen es auf und schob es sich wieder auf die Schulter. »Fahrt Ihr nach Köln?«, fragte sie den Flussschiffer.
    »Ja doch! Mach schnell.« Mit ungeduldiger Geste wies sein ausgestreckter Arm auf eine schmale Planke, die an Bord des Niederländers führte. »Los, da hinauf.«
    Fygen umfasste ihr Bündel mit beiden Armen und wagte sich die steile Planke hinauf. Sie war sicher, in der nächsten Sekunde im kalten Wasser zu landen, doch zu ihrer eigenen Überraschung schaffte sie es, trockenen Fußes an Bord des Schiffes zu gelangen. Hinter ihr sprang der Schiffer an Bord und schob sie unsanft in Richtung Vorschiff.
    Auf einen scharfen Befehl hin zogen die Pferde an, und mit leichtem Schlingern löste sich das schwerfällige Boot langsam vom Ufer. Allmählich geriet es in die kräftige Strömung des Flusses und hing schwer in den starken Seilen, an denen die mächtigen Tiere es flussaufwärts treidelten.
    Fygen stolperte vorwärts und, vorsichtig das Schlingern des Schiffes ausgleichend, suchte sich ihren Weg an dem halbrunden Kajütenaufbau vorbei, über das vollgestellte Deck Richtung Bug des Schiffes, beide Arme fest um ihr Bündel geschlungen. Das Bündel, das sie gestern Abend schweren Herzens gepackt hatte, nachdem Lijse ihr eröffnet hatte, dass sie das Haus ihres Onkels verlassen müsse. Viel war nicht darin: ihr gutes Kleid, zwei Sätze Leibwäsche, ein Paar lederne Schuhe mit schmalen Spitzen, ein Kamm, einige bunte Bänder. Dieses ordentlich in Leinen eingeschlagene Bündel und die Kleider, die sie auf dem Leib trug, waren alles, was Fygen ihr Eigen nannte. Und eine fein ziselierte silberne Anstecknadel, besetzt mit gelbschwarzen Steinen. Das fremdländisch aussehende Schmuckstück hatte ihrer Mutter gehört. Es war das Einzige, was ihr als Andenken an ihre Eltern geblieben war, denn Vaters ganzes Hab und Gut war verkauft worden, um die Forderungen der drängenden Gläubiger zu erfüllen. Dörte hatte ihr die Brosche für die Beerdigung ihres Vaters angesteckt, und Fygen hatte sie behalten, ohne dass es jemandem aufgefallen war. Die kluge Lijse hatte ihr geraten, das Schmuckstück sorgsam zu verbergen, und so hatte es seinen Platz bei Fygens Wäsche auf dem Grund der Truhe in ihrer Dachkammer gefunden.
    Als Fygen am Vorabend ihre Habseligkeiten zu einem Bündel packte, hatte sie auch den kleinen Stoffbeutel, in dem sie die Anstecknadel aufbewahrte, hervorgeholt. Vorsichtig hatte sie den Schmuck auf ihre Handfläche gleiten lassen und war sanft mit dem Finger das feine Muster im Silber nachgefahren. Wieder hatte sie sich gefragt, woher dieses Schmuckstück stammen mochte und welche Geschichte es wohl erzählen würde, wenn es denn sprechen könnte.
    Fygen hatte sich den kleinen Beutel mit einer Lederschnur unter ihrem Rock um den Leib geschlungen, damit er sicher verwahrt war. Und noch etwas anderes musste vor fremden Blicken verborgen werden: eine kölnische Mark. Das war genau der Betrag, den ihre künftige Lehrherrin als Einschreibegebühr für Fygen an die Zunft zahlen würde und den sie von Mathys dafür verlangt hatte, dass sie seine Nichte in ihrem Haus aufnahm. Gerne hatte Mathys sich sicher nicht von dem Geld getrennt, das hatte Lijse Fygen versichert, als sie die Mark sorgsam in den Saum von Fygens Kleid eingenäht hatte.
    Fygen blickte sich an Deck des Schiffes um. Weiter vorn würde sie vielleicht ein Plätzchen finden, wo sie sich niederlassen konnte. Sie zwängte sich vorbei an Fässern mit gesalzenem Hering, prallen Getreidesäcken und grob gezimmerten Holzkisten mit eingebrannten Warenzeichen.
    Außer ihr waren nur wenige Passagiere an Bord. Fygen schob sich an

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