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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Zukunft in der fremden großen Stadt für sie bereithalten würde.
    Der Morgennebel kroch über die Reling und hüllte sie in eine feuchte Stille. Wie aus weiter Ferne drang nur ab und an das Klappern der Hufe auf dem ausgetretenen, staubigen Treidelpfad gedämpft durch den Dunst. Fygen schien es, als wäre sie allein auf der Welt. Bei dem Gedanken bahnte sich ein gewaltiger Schluchzer den Weg ihre Kehle hinauf, und sie spürte, wie ein dicker Kloß ihr die Luft abdrückte. Sie war allein. Ganz allein. Ohne Lijse. Lijse, die sie fortgeschickt hatte. Lijse, die sich von ihr in der Küche verabschiedet hatte, weil sie es nicht über das Herz brachte, Fygen bis zum Fluss zu begleiten. Die sie zum Abschied fest an die ausladende Brust gedrückt hatte, ihr den Scheitel geküsst und geflüstert hatte: »Pass auf dich auf, mein Kind. Und Gottes Segen sei mit dir.«
    Trotzig hatte Fygen geantwortet: »Wenn es denn sein muss, dann gehe ich nach Köln. Du wirst sehen, ich werde Seidweberin und eine reiche Kauffrau.«
    Feucht kroch Fygen der Nebel an den Beinen hinauf. Sie zog den weiten Rock enger um ihre Knie, schlang die Arme um die mageren Schultern und versuchte krampfhaft, den Kloß ihn ihrer Kehle runterzuschlucken. In Gedanken fügte sie nun hinzu: Und dann komme ich zurück und hole dich.

    Der Niederländer machte einen Ruck, und Fygens Kopf schlug unsanft gegen das Holz der Reling. Durch das sanfte Schaukeln des Schiffes musste sie wohl eingeschlafen sein, ohne es zu bemerken. Fygen riss die Augen auf und war schlagartig hellwach, denn die Morgensonne stand bereits hoch am Himmel. Sie hatte den Nebel aufgefressen und schien nun wärmend auf sie herab. Die Treidelburschen, Knechte, die an Land die Gäule am Halfter führten, riefen sich laut etwas zu. Und der Schiffer, der Fygens Bündel gerettet hatte, fluchte unverständlich zu ihnen hinüber. Irgendetwas schienen sie falsch gemacht zu haben, aber Fygen konnte nicht erkennen, was es war.
    Mit dem Nebel war auch das Gefühl der Unwirklichkeit von ihr gewichen. Fygen streckte sich und gähnte. Sie würde sich den Tatsachen stellen müssen. Und das hieß: Sie war in der Tat auf dem Weg in die ferne, fremde Stadt, wo sie keinen Menschen kannte. Wie sie wohl war, die Base von Mathys? Wenn sie genauso geizig war wie der alte Knochen, dann gute Nacht, dachte Fygen. Und ob sie wohl Kinder hatte? Vielleicht eine Tochter in ihrem Alter? Mit der wäre sie ja dann auch irgendwie verwandt, überlegte Fygen, vielleicht könnten sie Freundinnen werden. Möglicherweise wäre ja alles doch gar nicht so schlimm, und sie würde wirklich eine erfolgreiche Kauffrau. Wenn Fygen jedoch daran dachte, dass die Lehrzeit vier Jahre dauern sollte, wurde ihr angst und bange. Vier Jahre! Für Fygen erschien das wie eine Ewigkeit.
    Den Kopf an die Reling gelehnt, beobachtete sie, wie ein untersetzter Mann zu dem Kaufmann mit der unordentlichen Frisur und den blauen Augen trat und eindringlich auf ihn einsprach. Er war stämmig, muskulös und trug deutlich einfachere, aber ebenfalls tadellos saubere Kleidung. Eine unterschwellige Angriffslust schien von ihm auszugehen, die er nur mühsam zu kontrollieren vermochte. Vielleicht kam der Eindruck jedoch nur zustande, weil er beständig den runden, massigen Kopf vorreckte und seine Worte mit einem Zucken seines kantigen Kinnes unterstrich. Sein Verhalten schien höflich, aber nicht allzu unterwürfig zu sein. Der Bedienstete des Kaufmannes, vermutete Fygen. Vielleicht sogar seine rechte Hand?
    Unruhig rutschte Fygen auf den harten Schiffsplanken umher. Vom langen Sitzen schmerzte ihr bereits die Kehrseite, dabei war es noch nicht einmal Mittagszeit. Man hatte ihr gesagt, die Fahrt würde den ganzen Tag dauern, und mit Glück erreichten sie ihr Ziel noch vor Einbruch der Dunkelheit, das heißt, bevor die mächtigen Tore der Stadt für die Nacht verschlossen würden.
    Fygen setzte sich auf und lehnte den Kopf an das große Bündel zu ihrer Rechten, das sich als überraschend weich und bequem erwies. Zudem verströmte das angeschmutzte Leinen, in das es gehüllt war, einen wundervollen süßen und schweren Duft. Fygen schloss die Augen, drückte ihr Gesicht gegen den Ballen und sog gierig den Geruch ein. Es duftete ein wenig nach Zimt und etwas anderem, wunderbar Fremdem.
    Mit einem leichten Ruck gab das Bündel nach und rutschte ein wenig zur Seite. Fygen sah, dass sich die festgedrehte Kordel, die es zusammenhielt, an einer Stelle gelockert hatte, und

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