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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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verlogenes!«, knirschte der Gehilfe, aber der erwartete Schlag blieb aus.
    Fygen schöpfte ein klein wenig Hoffnung und redete weiter, einfach drauflos: »Ich soll nämlich Seidmacherin werden, ich fahre zu meiner Lehrherrin, deshalb reise ich nach Köln …«
    »Wie heißt deine Lehrherrin, Kind?«, wollte die Stimme, von der Fygen annahm, dass sie dem Kaufmann mit der unordentlichen Frisur gehörte, wissen.
    Fygen spürte einen Hauch von Mitleid in dieser Stimme, ließ sich behutsam von dem Fass herab zu Boden gleiten, hob vorsichtig den Kopf und blickte auf.
    »Diesem Gelichter darf man keine Milde zeigen, sonst treibt der Pöbel es bald gar zu arg«, mokierte sich Eckert, der Gehilfe.
    »Aber, Eckert, sie ist doch noch ein Kind«, tadelte der Kaufmann und schaute Fygen dann direkt an. »Auch wenn sie eher wie ein zerrupfter Mösch aussieht. Nun also, woher kommst du, und wer ist deine Lehrherrin?«, wollte er wissen. Ein forschender Blick aus leuchtend blauen Augen traf Fygen und schien mit Leichtigkeit bis in ihr Innerstes zu dringen.
    »Ich komme aus Zons«, antwortete sie, setzte sich auf und fügte hinzu: »Und meine Lehrherrin ist Mettel Elner, die Base meines Oheims.«
    »Die alte Mettel, soso. Dann scheinst du ja einen einflussreichen Oheim zu haben. Und du sagst, du wolltest das Tuch nur anschauen?«
    Fygen nickte eifrig, doch sie vermied es, dem Kaufmann noch einmal in die blauen Augen zu blicken, aus Angst, er könnte alle ihre geheimsten Gedanken lesen.
    »Nun, in dem Fall sehe ich keinen Grund, dich noch weiter zu bestrafen«, entschied der Kaufmann.
    »Die alte Mettel ist Strafe genug«, brummte Eckert beiläufig, doch Fygen war viel zu erleichtert, um den doppelten Sinn in Eckerts Worten zu verstehen. Sie versuchte aufzustehen, doch als sie sich mit der Hand auf dem Boden abstützen wollte, schoss ihr wieder der Schmerz den Arm hinauf, und sie sog zischend die Luft ein. Leicht schwankend kam sie auf die Beine und strich sich die wirren, von Tränen feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht.
    Erstaunt sah sie, wie der Kaufmann sich bückte und ihre Haarschleife aufhob, die sie verloren hatte, als Eckert sie zu Boden warf. Mit fast zärtlicher Geste reichte er ihr das Band und sagte: »Pass in der großen Stadt gut auf dich auf, kleiner Mösch.«
    »Bitte«, beeilte Fygen sich zu fragen, »was ist ein Mösch?«
    Der Kaufmann zog erstaunt die Augenbrauen hoch und lachte, dass sich die winzigen Fältchen um seine Augen herum kräuselten. »Ein Mösch ist ein Spatz«, antwortete er. Dann wandte er sich ab.

5. Kapitel
    M acht sicher keinen guten Eindruck, wenn du so vor deine Lehrherrin trittst«, brummte der Schiffer und ließ einen hölzernen Eimer, der an einem langen Tau befestigt war, neben Fygen auf die Planken poltern. Das Wasser aus dem Eimer schwappte ihr angenehm kühl über die nackten Füße.
    Fygen hatte sich im Vorderschiff, in sicherer Entfernung von dem Bündel des Kaufmannes und anderer Frachtstücke, an die Reling gelehnt und fasziniert beobachtet, wie sich die Sonne auf dem Wasser spiegelte. Der Niederländer schien geradezu auf einem schmalen, gleißenden Streifen aus Sonnenlicht dahinzugleiten. Die Bäume am Ufer warfen dunkle, einladende Schatten. Die Pferde und Treidelburschen hatten in der Hitze ihre muntere Gangart verloren und taten nur noch pflichtschuldigst ihren Dienst. Auch Fygen war es warm geworden, und dankbar tauchte sie die Hände in den Eimer. Sie wusch sich gründlich das Blut von den Händen und die Tränenspuren aus dem Gesicht. Dann band sie sich, so sorgfältig es mit der schmerzenden Hand möglich war, ihre Zöpfe neu.
    Nach den trägen, langen Mittagsstunden schien nun plötzlich Leben in die Menschen an Bord zu kommen. Erwartung und Vorfreude machten sich breit. Die Männer riefen durcheinander, rollten Taue auf und liefen hierhin und dorthin. Fygen schaute gebannt auf den Fluss. Sie wollte sich nicht mehr abwenden, in der Sorge, den ersten Blick auf die große Stadt, die ihre neue Heimat sein würde, zu verpassen.
    Und endlich war es so weit. Nach einer letzten Biegung des Flusses lag es da, kupferfarben glänzend im späten Sonnenlicht, das berühmte Köln, das heilige Köln.
    Die Stadt war wirklich riesig, fand Fygen, und je näher sie kamen, desto größer wurde sie. Jemand hatte ihr gesagt, vierzigtausend Menschen würden hier leben in dieser einzigartigen Stadt. Rundherum war sie eingefasst von einer gewaltigen Mauer mit mächtigen Toren darin, über die

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