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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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auf der Hausschwelle, die sie an Fygens erstem Abend in der Stadt schon so vorwitzig begrüßt hatte.
    »Wieso machst du das?«, fragte das kleine Mädchen und kratzte sich ausgiebig einen Mückenstich an ihrem mageren Bein.
    »Was meinst du?«, fragte Fygen und setzte den schweren Korb einen Moment neben sich ab, um zu verschnaufen. »Ich bringe den Mist weg, damit der Schweinestall wieder sauber ist.«
    »Ja, das sehe ich. Aber ich denke, du wirst eine Seidmacherin. Wieso schleppst du dann Schweinemist? Noch dazu am Sonntag?«
    Ja, warum mache ich das?, fragte sich Fygen, und ein kleiner fester Knoten bildete sich in ihrer Kehle. Seufzend hob sie den Korb wieder auf ihre Schulter und setzte ihren Weg fort.
    So ging es Stunde um Stunde, nur unterbrochen von einem Mittagsmahl, das des Namens nicht würdig war, wie Fygen fand. Doch zumindest gab es nach der obligatorischen Suppe mit gebrocktem Brot, die heute mit klateriger Milch aufgebessert war, Stockfisch und Rüben.
    Das war eindeutig ein Vorzug, den Onkel Mathys gegenüber seiner Base hatte, dachte Fygen: Er war zwar genauso geizig wie Mettel, aber andererseits auch so verfressen, dass immer die wundervollsten Dinge aufgetischt wurden. Gerade an Sonntagen und hohen Feiertagen hatte Lijse viele Stunden in der Küche zugebracht. Mettel aber kochte selbst und achtete peinlichst genau darauf, dass nicht ein Gramm Rahm zu viel in die Suppe gerührt wurde. Sich selbst und ihrer Tochter genehmigte sie sicher zusätzlich einige feiste Zwischenmahlzeiten, argwöhnte Fygen. Wie sonst ließ sich deren Leibesfülle erklären?
    Als die Mädchen abends fröhlich in die Werkstatt zurückkehrten, hatte Fygen sich bereits unter ihrem Laken zusammengerollt. Sie wollte nicht mit ihnen sprechen, und vor allem hatte sie keine Lust, sich anzuhören, wie nett die anderen ihren freien Tag verbracht hatten, und stellte sich schlafend. Immer noch hatte sie den elenden Gestank von Schweinemist in der Nase, obwohl sie ihre Haut nach beendeter Arbeit abgeschrubbt hatte, bis sie wund und rot gescheuert war.
    Lange nachdem es in der Werkstatt ruhig geworden war, fand Fygen immer noch keinen Schlaf. Die Arme schmerzten ihr vom Schleppen, und sie warf sich rastlos auf ihrem Strohbündel von einer Seite auf die andere. Wie gerne hätte sie wie früher nach dem Nachtmahl mit Lijse zusammengesessen, das letzte Licht für eine Stickerei genutzt und über den Tag geplaudert, der hinter ihnen lag, oder ausgiebig geklatscht. Und gerade heute hätte sie Lijse so viel zu erzählen. Lijse. Fygen vermisste sie sehr. Die Kehle wurde ihr eng, und sie schluckte mühsam, als sie an Lijse dachte. Lijse und ihr Zuhause und die vertrauten Gassen ihrer Heimatstadt, wo sie jeden Stein und jeden Weg kannte. Die große Stadt machte ihr Angst. Und die Menschen hier … Vor allem Grete schien es auf sie abgesehen zu haben.
    Als wäre es ein Echo ihrer eigenen Gefühle, vernahm sie ein leises, unglückliches Schluchzen. Es dauerte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass sie nicht die Einzige war, die vor Kummer schlaflos dalag. Fygen horchte einen Augenblick auf das traurige Wimmern. Es schien aus einer Ecke in der Nähe der Tür zu kommen. Wenn Fygen sich recht erinnerte, so war es Katryn, die dort ihr Lager hatte. Voller Mitleid schlug sie ihr Laken zur Seite und kroch leise in die Richtung, aus der die Laute kamen.
    Katryn hatte sich wie ein kleiner Igel zu einer bebenden Kugel zusammengerollt, ihr Laken bis über den Kopf gezogen und schien Fygen nicht wahrzunehmen, und da Fygen sie nicht erschrecken wollte, zupfte sie vorsichtig an ihrem Laken. Das Schluchzen brach ab, und ein verweintes Gesicht kam unter dem Laken zum Vorschein. Einer Eingebung folgend, legte Fygen der Älteren einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. Sofort hörte das Beben auf, und nach einer Weile verstummte auch das Schluchzen. Sanft wiegte Fygen Katryn in ihrem Arm und strich ihr vorsichtig über den Rücken. »Was ist denn geschehen, dass du so bitterlich weinst?«, fragte sie sanft.
    Das Mädchen richtete sich auf und versuchte sich an einem gequälten Lächeln. Dann legte sie den Finger über die Lippen und flüsterte: »Psst, sag es nicht weiter. Ich habe so eine schrecklich Angst vor den Spinnen hier drinnen. Andauernd stelle ich mir vor, dass sie mir im Dunkeln an den Beinen hochkriechen und über mein Gesicht laufen.«
    »Und das verursacht dir solchen Kummer?«, fragte Fygen ungläubig nach.
    Katryn schüttelte den Kopf. Dann

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