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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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zunächst nur einzelne Schreie entwichen, so schrie sie nun ununterbrochen, und ihr Körper bäumte sich auf. Lena schob den Hocker beiseite, beugte sich zu Sewis hinab und streckte sie auf dem Boden aus. Dann öffnete sie ihr das Mieder und schob ihre Röcke hinauf über die Schenkel.
    Nach der Kälte draußen wurde Fygen die warme Luft in der Küche zu stickig. Sie legte ihr Schultertuch ab, doch die Hitze wurde immer schlimmer. Dann gaben ihre Beine nach, und Sewis’ Schreie verloren sich im Dunkel, als Fygen das Bewusstsein verlor.

    »Runter mit dem Mieder«, befahl Mettel.
    Erst spät am Abend war Fygen in das Elnersche Haus zurückgekehrt, und Mettel bebte vor Zorn.
    Katryn konnte es nicht ertragen zuzusehen, wie Fygen bestraft wurde. Entsetzt wandte sie sich ab und wollte zur Tür hinauseilen, doch ihre Lehrherrin erwischte sie am Ärmel. »Und du bleibst hier und schaust zu«, sagte sie kalt.
    Wiederstrebend öffnete Fygen die Verschnürung und ließ dass offene Mieder auf den Rock hinabsinken.
    »Umdrehen.«
    Ohne Widerrede gehorchte Fygen und wandte der Lehrherrin den bloßen Rücken zu.
    »Heilige Maria, voll der Gnade …«, begann Hylgen laut zu beten.
    Harsch fuhr Mettel sie an: »Die hilft ihr jetzt auch nicht mehr. Du hättest früher für ihr Seelenheil beten sollen.« Dann holte sie aus. Sirrend zog die Rute durch die Luft und traf klatschend auf Fygens Haut. Scharf sog das Mädchen die Luft ein. Wieder schlug Mettel mit aller Kraft zu. Der Hieb brannte sich in Fygen Rücken, und der Schmerz nahm ihr die Luft zum Atmen.
    »Gegrüßt seiest du, Maria, Mutter Gottes …«, betete Hylgen weiter, und wieder schlug Mettel zu. Diesmal traf sie Fygens Seite, und das Mädchen schrie gellend auf.
    Katryn hielt es nicht mehr aus. Sie nahm allen Mut zusammen und fiel Mettel in den Arm. »Es ist genug, willst du sie totschlagen? Ich werde meinem Vater sagen, wie grausam du sie züchtigst.«
    »So, deinem Vater?«, fragte Mettel gedehnt. Langsam ließ sie die Rute sinken und wandte sich drohend zu Katryn um. »Nun, ich denke nicht, dass dein Vater dem viel Gehör schenken wird, wenn ich ihm erklärt habe, mit wem sich seine Tochter heute Nachmittag herumgetrieben hat.«
    Grete, die sich bisher zurückgehalten hatte, schnaubte verächtlich.
    »Gleich morgen früh werde ich zu ihm gehen.« Wie ätzendes Gift troffen die Worte von Mettels Lippen, und Katryn erbleichte.

    Fygen wusste nicht, wie sie liegen sollte. Die Striemen auf dem Rücken brannten zum Verrücktwerden, trotz der feuchten Tücher, die Katryn darübergebreitet hatte. Unruhig rutschte sie hin und her. Die beiden Mädchen hatten sich gemeinsam auf Fygens Strohlager in der Werkstatt niedergelassen und trösteten einander.
    »Dieses böse Weib«, schimpfte Katryn auf ihre Lehrherrin. »Wo hast du eigentlich gesteckt? Ich habe auf dich gewartet, doch als es dunkel wurde, bin ich hierhergegangen.«
    »Ich habe Sewis gefunden«, antwortete Fygen müde.
    »Du hast was?« Katryn richtete sich auf. Ihr blieb vor Überraschung der Mund offenstehen.
    Ausführlich erzählte Fygen der Freundin von Sewis’ traurigem Schicksal. Aus Angst vor ihrem Vater hatte Sewis sich nicht nach Hause getraut, sondern versucht, bei einem ihrer Freunde Aufnahme zu finden. Doch der hatte sie rüde abgewiesen, und so war ihr nichts anderes übriggeblieben, als sich eine billige Bleibe zu suchen und selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Sie fand Unterschlupf in einer kleinen Hütte an der alten Stadtmauer in der Nähe des St.-Andreas-Hospitals, das als Pilger- und Fremdenherberge diente. Wahrlich keine angesehene Wohngegend. Und es stellte sich als unmöglich für sie heraus, Arbeit zu finden. So tat sie denn, was sie gerne tat, und konnte sich auf diese Weise eine Weile ernähren. Doch mit zunehmender Schwangerschaft wuchs ihr Bauch, und die Freier verschmähten sie. Sewis hungerte. Als sie völlig verzweifelt war, wagte sie sich in die Nähe ihres Elternhauses und passte ihre Mutter ab. Die gab ihr etwas zu Essen und den guten Rat, sich fern von ihrem Haus zu halten, denn jedes Schicksal sei besser als das, was sie zu erwarten habe, wenn ihr Vater sie zu fassen kriege. Danach lebte sie von dem, was ihr mitleidige Menschen zusteckten, aber das war nicht viel. So hatte sie auch gestern versucht, von den Kirchgängern etwas zu erbetteln, als die Wehen einsetzten.
    »Sie hat einen kleinen Jungen zur Welt gebracht. Bei Lena auf dem Küchenboden. Ganz winzig ist er und heißt

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